Rezension

Mutter-Sohn-Beziehung

Nacht der Wahrheit - Véronique Olmi

Nacht der Wahrheit
von Véronique Olmi

Bewertet mit 4 Sternen

Die junge Liouba Popov wohnt mit ihrem zwölfjährigen unehelichen Sohn Enzo in einer Kammer in der riesigen Wohnung eines reichen Pariser Ehepaares, für das sie als Dienstmädchen arbeitet. Während Liouba in beständiger Angst lebt, ihre Arbeitgeber könnten unvermutet nach Hause kommen, und deshalb unentwegt bis zur Perfektion putzt, plagt den adipösen Enzo die Furcht vor dem vornehmen Lycée, auf das ihn seine Mutter zur Ermöglichung einer guten Ausbildung schickt, und vor allem vor den Übergriffen seiner Mitschüler, denen er aufgrund seines russischen Namens und seiner unbekannten Herkunft eine Zielscheibe ist. Zudem hätte er gerne von Liouba eine Antwort auf die Frage nach seinem Vater und den russischen Wurzeln der Familie.

Die Geschichte ist in Abschnitte ohne Kapitelüberschriften oder Nummerierung unterteilt. Überwiegend wird aus der Perspektive von Enzo erzählt, seltener auch aus Sicht von Liouba. Der Erzählstil ist für die Autorin typisch; sie bedient sich einer ruhigen, bedächtigen Sprache. Leicht lesen lässt sich das Buch allerdings wie alle Olmi-Romane nicht.

Im Vordergrund der Geschichte steht die enge Beziehung von Mutter und Sohn. Enzo, dem Liouba den Namen seines Vaters nicht preisgeben will, ist beständig auf der Suche nach seiner Identität und seinen Wurzeln. Erst spät und auch nur stückchenweise  erhalten wir als Leser Informationen zu Lioubas und damit auch Enzos Herkunft, ohne dass er dasselbe Wissen bekommt. Sehr bedrückend empfinde ich die Schilderungen über das Mobbing seiner Mitschüler, das in seiner Folter gipfelt. Seine Angst und Einsamkeit sind gut nachzuempfinden. Nach der Folterszene im letzten Drittel der Geschichte wird diese dann sehr konfus und für mich nicht mehr recht verständlich. Enzo erscheinen Personen – Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Hier ist mir unklar, ob es sich um Träume oder wahnhafte Hirngespinste handelt.

Trotz der eben erwähnten Strukturlosigkeit bewerte ich den Roman als lesenswert mit vier Sternen.