Rezension

Lebendiges Biedermeier

Grimms Albtraum: Annette von Droste-Hülshoff - Esther Grau

Grimms Albtraum: Annette von Droste-Hülshoff
von Esther Grau

Bewertet mit 4 Sternen

Wer war Annette von Droste-Hülshoff? Hier lernt man sie kennen.
Anschaulich und einfühlsam erzählt Esther Grau Annettes Lebensgeschichte von der Geburt 1797 bis zu ihrem Tod 1848. Nur 51 Jahre hat sie gelebt, war immer sehr zart und kränklich, aber auch gleichzeitig voller Fantasie, Originalität und Schaffensdrang, vielseitig begabt, gebildet und vielseitig interessiert.

Hier erlebt man mit, wie ein aufgewecktes, träumerisches Mädchen in einer Zeit aufwächst, in der zu viel „Witz“ bei Frauen nicht erwünscht war. Schon als Kind eckte Annette an mit ihrer ungewöhnlichen Art, hatte auch später stets Probleme, ihre Individualität mit dem herrschenden Frauenbild in Einklang zu bringen.
Man kann hier sehr gut nachvollziehen, wie jemand zum Dichter wird. Ein wenig sieht man die Welt mit Annettes Augen. Die Ideen ihrer Werke entwickeln sich aus ihrer aktuellen Lebenssituation und so bekommen wir viele ihrer Gedichte mit deren Entstehungsgeschichte serviert. Das macht großen Spaß.

Durch spürbar sensible Recherche wird in diesem Buch das Biedermeier lebendig. Revolution ist ein Thema in ganz Europa und stört wohlmöglich die Reisepläne adliger Damen. Annette ist viel gereist, erlebte beispielsweise die Anfänge des Kölner Karnevals und die Entdeckung der Homöopathie. Sie hatte auch viele illustre Freunde und Bekannte, die uns hier begegnen, wie Adele Schoppenhauer, die Gebrüder Grimm, Clara und Robert Schumann oder Levin Schücking, bisweilen verliert man fast den Überblick, so umfangreich ist das Personal. Da wäre ein Personenregister hilfreich gewesen.
Ein wenig unglücklich finde ich den Titel des Buches, der größere Differenzen zwischen Wilhelm Grimm und Annette suggeriert, die tatsächlich gar nicht bestanden. Grimm taucht auf, spielt aber keine größere Rolle im Buch und in ihrem Leben.

Dieses Buch hat mir unterhaltsam eine Dichterin nahe gebracht, die ich kaum kannte, hat mich viel über die Biedermeierzeit gelehrt und mich zu einigem Gegoogel veranlasst. Beim nächsten Besuch in Münster werde ich ganz sicher das „Rüschhaus“ besichtigen. Mir hat es gefallen.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. November 2015 um 19:04

Schöne Rezension, wirklich! Woran ist sie denn gestorben?

Sursulapitschi kommentierte am 09. November 2015 um 19:22

Danke schön! So ganz genau sagt sie das nicht, klingt nach Schwindsucht. Annette war ihr ganzes Leben lang kränklich, hatte immer wieder schlechte Phasen, hat viele Kuren gemacht, dabei war sie dann fiebrig, schwach, bettlägerig, und auch von "Gesichtsschmerzen" ist gelegenliich die Rede.