Rezension

Lass uns nach Benton County fahren. Bringt mich nach Hause!

Zu Hause wartet die Hoffnung - Kim Vogel Sawyer

Zu Hause wartet die Hoffnung
von Kim Vogel Sawyer

Lass uns nach Benton County fahren. Bringt mich nach Hause!

Die achtzigjährige Hazel Mae Blackwell lebt in Kendrickson, Nevada und musste bereits in sehr jungen Jahren einen schmerzlichen Verlust erfahren. Ihre kleine dreijährige Schwester Maggie verschwand unter ihrer Obhut beim Beerensammeln im Wald und wurde nie wiedergesehen. Nicht nur Hazel, sondern die gesamte Familie war zutiefst traumatisiert und erholte sich nie wieder von diesem schrecklichen Ereignis.

Margaret Diane De Ford arbeitete als Lehrerin in Little Rock, Arkansas und kommt nicht gut mit ihrer Mutter Hazel aus. Sie war bereits in jungen Jahren eine richtige Rebellin, lehnte sich gegen die Fürsorge ihrer Mutter auf, fühlte sich überwacht, kontrolliert und bevormundet. Margaret Diane ist darüber hinaus eifersüchtig auf die innige Verbindung zwischen ihrer Tochter Meghan und deren Großmutter Hazel, die ihre Enkelin mit Zuneigung und Aufmerksamkeit überschüttet.

Als Meghan De Ford aufgrund eines Autounfalls längere Zeit krankgeschrieben wird, beschließt sie, ihre sechswöchige Zwangspause von ihrem Job bei der Kriminalpolizei bei ihrer über alles geliebten Großmutter zu verbringen. Sie empfindet die vor ihr liegende kostbare Zeit mit Hazel als ein Geschenk des Himmels. Völlig überrascht stellt sie bei ihrer Ankunft in Kendrickson fest, dass auch ihre Mutter Margaret Diane beschlossen hat, Hazel zu besuchen. Lange unterdrückte Emotionen und schwelende Verletzungen kommen nun an die Oberfläche, und die Situation scheint aussichtslos und verfahren. Beim Betrachten alter Bilder aus Hazels Kindheit konfrontiert Meghan ihre Großmutter mit einer Aufnahme, die deren ruhige Gelassenheit ins Wanken bringt. Die alte Dame spricht zum ersten Mal seit über siebzig Jahren von ihrer verschollenen Schwester Maggie und dem großen Schmerz, den sie bereits ihr gesamtes Leben lang mit sich herumschleppt. Ihre tiefe Verzweiflung und ihre Trauer wecken in Meghan das Bedürfnis, den größten Herzenswunsch ihrer Großmutter zu erfüllen: Hazel möchte noch einmal in den winzigen Ort namens Cumpton nach Benton County fahren, das alte Farmhaus wiedersehen, das einmal ihr Zuhause war, und das Grab ihrer lange verstorbenen Eltern besuchen. Sie wünscht sich zudem nichts sehnlicher, als ihre schmerzlich vermisste Schwester noch einmal in die Arme schließen zu dürfen.  Doch die Chancen, Spuren in einem über siebzig Jahre alten Fall zu finden, sind mehr als gering.

Kim Vogel Sawyer erzählt in ihrem Roman die berührende Geschichte von drei Frauen, die lernen mussten, mit großen Verletzungen, tiefem Schmerz und tragischen Verlusten zu leben. Sie berichtet von einer Mutterliebe, die sehr intensiv und stark ist, von einer rebellischen Tochter, die sich gegen die emotionale Umklammerung ihrer Mutter wehrt, und von einer Enkeltochter, die alles in ihrer Macht stehende versucht, für die beiden Menschen, die sie am meisten liebt, als Friedensstifterin zu fungieren. In einem wunderschönen und einnehmenden Schreibstil rollt die Autorin in Form von Rückblicken in Hazels und Margaret Dianes Vergangenheit behutsam die damaligen Ereignisse nach und nach auf. Zu Beginn der einzelnen Kapitel weisen Namen in schwungvollen Lettern als Überschrift stets darauf hin, welcher der drei Hauptpersonen sich Kim Vogel Sawyer nun widmet. Darüber hinaus tragen Angaben zu Zeit und Ort der Handlung zu einer raschen Orientierung im Buch bei. Mir haben Kim Vogel Sawyers ruhige, bedächtige Art zu erzählen und ihre Gewichtung auf die Gefühlswelt von Hazel, Margaret und Meghan ausgezeichnet gefallen.

Die Ungewissheit über das Schicksal der verschollenen Schwester Maggie erzeugt einen gewissen Spannungsbogen, der Fokus liegt jedoch eindeutig auf der Beziehung zwischen den drei Protagonistinnen. Deren liebevolle Charakterisierung zeugt von hoher Authentizität. Sowohl die würdevolle und rüstige Hazel, die als Inbegriff selbstloser Liebe dargestellt wurde, als auch ihre Enkelin Meghan, sind mir sofort ans Herz gewachsen. Margaret Diane war eine Figur, der ich anfangs eher ablehnend gegenüberstand. Sie machte jedoch die größte Wandlung in dieser Geschichte durch und überraschte mich durch ihre bemerkenswerte Einsicht. Der christliche Glaube hat einen sehr hohen Stellenwert inne – ein Aspekt, den ich als unglaubliche Bereicherung empfand und der diesem Buch zusätzliche Tiefe verlieh.

Fazit: „Zu Hause wartet die Hoffnung“ stellte für mich ein herausragendes Lese-Highlight dar und hat mich zutiefst berührt. Kim Vogel Sawyer erzählt eine ergreifende Geschichte von Liebe, Schmerz, und der Kraft der Vergebung, die getragen von einem unerschütterlichen Glauben an Gott letztendlich Großes bewirkt. Eine ausgezeichnete Lektüre, die ich sehr gerne weiterempfehle.