Rezension

Inspirierend.

Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln - Adriana Popescu

Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln
von Adriana Popescu

Die Münchner Autorin Adriana Popescu bereitete mir mit ihren letzten zwei Erscheinungen aus der jugendlichen Belletristik einige unter die Haut gehende Lesemomente. Ihr Erfolgsrezept: vielschichtige Charaktere und ihre Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und den inneren Kämpfen. Diesen Monat erscheint ihr neuestes Werk "Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln" im cbt-Verlag.

 

Samuel, Marie und Theo: So heißen die drei Hauptfiguren des vorliegenden Romans. Jede von ihnen besitzt persönliche Probleme, Hoffnungen und Ängste, mit denen sie sich auseinandersetzen. Das macht sie besonders authentisch und greifbar, denn die Sorgen und die daraus resultierende Verletzlichkeit sind jederzeit nachvollziehbar. Wer bin ich; was ist meine Position im Leben; wie wird es durch meine Entscheidungen beeinflusst; wie soll ich weitermachen, wenn tief in mir etwas verletzt wurde – all das sind Fragen, die zum Alltag der jungen Generation dazugehören und die den Leser*innen große Identifikationsfläche bieten.

 

Die Kapitel sind kurz, der Schreibstil von der ersten Seite an mitreißend: Adriana Popescu weiß genau, wie sie ihr Lesepublikum in den Bann schlagen kann. Sie ermöglicht jederzeit einen Perspektivwechsel und somit den steten Einblick in die innere Handlung der Protagonisten. Somit fühlte ich mich rasch in die Geschichte involviert und konnte mich gut mit dem Figurenensemble sympathisieren.

 

Zudem hält die Autorin den Leser*innen geschickt Hintergrundinformationen vor, um sie am Ball zu behalten und die Aufmerksamkeit auf sich zu richten: Das wirkt, man*frau möchte das Buch überhaupt nicht mehr loslassen, ehe man hinter die Geheimnisse der Figuren gekommen ist. Im weiteren Verlauf wird die Bedeutsamkeit von Entscheidungen deutlich, die oftmals den Menschen und sein Umfeld langfristig prägen. Die vielen Orts- und Personenwechsel machen die Handlung zusätzlich kurzweilig.

 

 

Durch genau beobachtete Details verdeutlicht Popescu in ihrem neu erschienenen Roman die Liebe und Fürsorglichkeit unter den einzelnen Figuren. Die drei Hauptfiguren machen einen großen inneren Prozess durch, dessen Verlauf oft sehr glaubwürdig erscheint. Es gibt starke Fortschritte, ja, aber auch viel Scheitern, viele Rückfälle und resignierende Momente. Für mich stach Theo trotz seines geistig instabilen Zustands durch seine bewundernswerte Selbstreflektion heraus: Ihm sei bewusst, dass sich seine Familie manchmal wie Sisyphos fühlen muss, wenn sich seine Panikattacken mal wieder, zu oft wiederholten.

 

Genau hier gerät die Handlung jedoch teilweise in eine spannungsarme Flaute: Sie dreht sich einige Male zu oft im Kreis und bremst somit das Erzähltempo aus. Ja, diese Repititivität kann auch stilistisch das eigene Scheitern darstellen. Dann hätte ich mir aber gewünscht, dass die Autorin etwas aus der üblichen Struktur ausbricht und auch mal den recht vorhersehbaren Pfad überraschend verlässt. Viele Entwicklungen und Verbindungen sind dann doch zu berechenbar: Fünfzig bis hundert Seiten weniger hätten dem Buch gut getan.

 

Letztendlich kann ich euch das Buch trotz der Schwächen im letzten Drittel uneingeschränkt ans Herz legen: "Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln" ist ein warmherziges Plädoyer für menschlichen Zusammenhalt und Rücksichtnahme. Es ist okay, Fehler zu begehen, Hilfe zu brauchen und zu scheitern – und mit genau dieser inspirierenden Botschaft legitimiert Adriana Popescu mit erzählerischer Leichtigkeit die persönliche Unvollkommenheit. Wichtig ist es, sich mitzuteilen, um nicht von der Schwere der eigenen Sorgen erdrückt zu werden.

 

 

«Ein Lächeln sieht man auch im Dunkeln»  

zeigt einfühlsam, dass es okay ist, sich Hilfe zu holen und nicht weiter weiß. Dass es auch okay ist, mal falsche Entscheidungen zu treffen. Eine sehr inspirirerende Lektüre!