Rezension

Heilsame Reise der Akzeptanz und Hoffnung

Der Klang von Licht -

Der Klang von Licht
von Clara Maria Bagus

Bewertet mit 5 Sternen

„Das Leben war wie ein Gemälde. Der Lauf der Zeit formt die Gegenwart zu einem Bild der Vergangenheit, die ihre volle Wirkung erst entfaltete, wenn wir ausreichend weit zurücktraten und das Gemälde aus der Ferne in seiner Ganzheit betrachteten. Erst dann ergab alles auf einmal einen Sinn.“ 

In dieser poetisch verdichteten Erzählung geht es um drei tragische Schicksale, Zerrissenheit und die Sehnsucht nach Identität und Familie. Clara Maria Bagus führt ihre Figuren gefühlvoll auf eine heilsame Reise der Akzeptanz und Hoffnung. Auch Suizid spielt eine Rolle, was ich als Triggerwarnung erwähnen möchte. 
Die meisten Kapitel sind Jean-Pierre gewidmet. Als erfolgreicher Oberarzt, leitet er die Notfallstation. Schließlich muss er eine berufliche Niederlage verkraften, die er sich nicht erklären kann. Mit der aufkommenden Unsicherheit kann Jean-Pierre nicht umgehen. Bisher oberflächlich und ignorant, muss ich sich seiner inneren Leere stellen. Des Weiteren spielt Juliette eine wichtige Rolle, die mit acht Jahren ihre Mutter auf traumatische Weise verlor. Neben anderen entscheidenden Nebenrollen im Figurenensemble gibt es die lebensfrohe Virginie: eine einfühlsame Frau, die stets die richtigen Worte findet. Was all diese Personen verbindet, sind nicht nur die Kraniche, die sie eines abends im Silber des Mondlichts zu erkennen glauben, sondern ihre Lebenswege sind miteinander verstrickt. Sie alle spüren den Umbruch. Zudem hat Clara Maria Bagus eine durchaus unbeliebte Figur eingeführt, die als stiller Beobachter fungiert, wenn es angemessen scheint, zu Wort kommt, ja sogar eingreift und schließlich mit Prolog und Epilog die Geschichten all dieser Figuren wie eine sanfte Umarmung umschließt. Das fand ich großartig inszeniert und es war zu keiner Zeit vorhersehbar. 

"Der Klang von Licht" zeichnet sich durch viele Erkenntnisse aus, die beim Lesen zum Nachdenken anregen. Wer es liebt, Zitate rauszuschreiben, wird hier sehr reichhaltig bedient. Ob Einblicke in die unsichtbare Welt, in der Menschen leben, die mit ihren Ängsten und Sorgen allein sind oder die Schwierigkeit den Wandel anzunehmen, statt uns selbst und andere „in unsere Vorstellungen von uns einzusperren.“ Weise Worte und kluge Gedanken, wie man sie auch in zahlreichen Sachbüchern lesen kann, während in diesem Roman die Figuren einen Prozess durchlaufen, der aus diesen sonst so seelenlosen Sprüchen erst eine Wahrheit entstehen lässt. 
Geschrieben mit einer Bildhaftigkeit, die beeindruckt: „Der Duft der Nacht tropfte durch die geöffneten Fenster und ließ die Vorhänge wie Wolken tanzen.“ Clara Maria Bagus geht über die Weltbilder in unseren Köpfen und das, was wir als real begreifen, hinaus, und webt eine Wärme für das Gemüt und eine erhellende Frische für den Geist. Fand ich sogar stärker als den Vorgänger „Die Farbe von Glück“. Eignet sich wunderbar für eine Leserunde.