Rezension

Gute Grundidee, jedoch schwache Umsetzung

Du bist das Gegenteil von allem - Carmen Rodrigues

Du bist das Gegenteil von allem
von Carmen Rodrigues

Nach ihrem Tod durch eine Überdosis Tabletten ist ein Schuhkarton mit 34 Zetteln alles, was Ellie zurück lässt. Nein, nicht ganz alles. Sie lässt auch ihre Freunde zurück, die Menschen, die dachten, sie würden die richtige Ellie kennen und die nun lernen müssen, mit ihrem Tod umzugehen und sich vor allem eine Frage zu stellen: Warum?

Du bist das Gegenteil von allem ist ein Jugendbuch, das das schwierige Thema Selbstmord aufgreift und sich mit den Folgen auseinander setzt, vor allem aber, wie die Angehörigen mit dem plötzlichen Verlust zurecht kommen. Und Ellie hatte viele Angehörige. Allen voran ist da Sarah, ihre beste Freundin und Verbündete, die in dieser einen Nacht zusammen mit Ellie die Tabletten geschluckt hat und ins Krankenhaus musste, allerdings überlebte. Seit dem Vorfall befindet sich Sarah in therapeutischer Behandlung und versucht mit ihren Schuldgefühlen zurecht zu kommen.
Neben Sarah spielt auch Jake - Ellies großer Bruder - eine wichtige Rolle in der Geschichte. Seitdem ihr Vater verschwunden ist und die Mutter wieder geheiratet hat, ist Jake die beständige Konstante in ihrem Leben gewesen, auf die sich Ellie immer verlassen konnte. Doch zum Studieren muss er weit weg und lässt seine kleine Schwester im Stich.
Was kaum jemand aus Ellies Umfeld wusste, ist, dass auch Jessie - die kleine Schwester von Sarah - einen wichtigen Platz in Ellies Leben einnahm. Die beiden Mädchen teilten eine ganz besondere Bindung und nun nach Ellies Tod, weiß Jessie nicht, mit wem sie ihre Gefühle teilen könnte.
Ich könnte noch weitere Personen aus Ellies Leben aufzählen, doch es würde nicht viel ändern, denn sie alle Kreisen um Ellie, wie die Planeten um die Sonne. Ellie ist das Mädchen, dass alle glaubten zu kennen und das doch mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hatte. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Zeit vor und nach Ellies Tod erzählt und auch aus den verschiedensten Perspektiven. Sowohl Jake, als auch Sarah und Jessie schildern ihre Sicht der Dinge und schon schnell lassen sich die ersten Anzeichen finden, dass sich hinter Ellies aufgesetzter mutig erscheinender Fassade auch nur ein wütendes und einsames Mädchen versteckte, dass jeden wegstieß der ihm zu nahe kam.
Diese Erzählweise erlaubte zwar einen guten Einblick in Ellies Psyche, vor allem da die Kapitel durch die Zettelchen mit Ellies Notizen getrennt wurden, die Einblick in ihr Inneres gaben, allerdings blieb mir der Einblick in die anderen Charaktere verwehrt. Sie erzählten zwar die Geschichte und auch ihre Gefühle wurden deutlich, doch es hing eine Barriere zwischen ihnen und mir, die ich nicht überbrücken konnte; eine Distanz die es mir verweigerte, mich in die Lage der Charaktere hineinzuversetzen. Zudem erschwerte der ständige Wechsel der Perspektiven und dazu noch der Sprung zwischen Vergangenheit und Gegenwart das Lesen extrem. Ich wusste nicht mehr, was in welcher Reihenfolge passiert war, geschweige denn was überhaupt relevant war.
Das Ende schuf schließlich wieder etwas Klarheit in meine Verwirrung, insgesamt endet es aber doch ziemlich offen.