Rezension

Grusel ohne Gruselmoment

Die stummen Wächter von Lockwood Manor - Jane Healey

Die stummen Wächter von Lockwood Manor
von Jane Healey

Bewertet mit 3 Sternen

Hettie, Leiterin der Säugetierabteilung des Londoner Natural History Museum, muss ihre Sammlung 1939 auf dem Anwesen Lockwood Manor evakuieren. Dort soll es nur so spuken. Selbst die Tochter des Hausherrn gruselt sich und wird langsam verrückt.

Der Klappentext des Buchs verrät, die Autorin ist Spezialistin für übersinnliche Phänomene in Jane Austens Romanen. Und dieses Buch lässt sich wie eine Hommage an die Romane von Austen und den Bronte-Schwestern lesen. Mich erinnerten viele Szenen jedoch an die großen Werke der phantastischen Literatur.

Das Cover ist live betrachtet wirklich schön. Das Motiv erinnert an eine gestickte Tischdecke und die Tiere passen zu den Tieren der ausgestopften Ausstellungsobjekte. Und direkt mit dem ersten Satz der Geschichte lanadet man am Teetisch.

Der Zweite Weltkrieg beginnt und das Natural History Museum muss seine Exponate evakuieren. Für die Säugetierabteilung ist Hettie, eine junge Frau um die 30 Jahre alt, die gegen den Unwillen ihrer Stiefmutter Zoologin geworden ist, zuständig. Als Unterbringungsort kommt nur noch das alte, renovierungsbedürftige Herrenhaus Lockwood Manor vor. Doch dort soll es spuken. Dauernd wechselt das Hauspersonal. In den Ecken des Hauses knistert es, leuchtende Augen erscheinen, alles scheint etwas marode zu sein. Die Tochter des Hausherrn, Lucy, leidet unter schlimmen Albträumen. Seit dem Unfalltod ihrer Großmutter und ihrer Mutter ist sie psychisch angeschlagen. Oder liegt das in der Familie? Ihre Mutter war bereits paranoid und fühlte sich von einer Frau in weiß verfolgt.
Niemand heißt Hettie wirklich willkommen auf Lockwood Manor. Eine junge Frau, die gerade das Haus verlassen hat, sieht sie aggressiv und voller Hass an. Der Hausherr lässt Hettie spüren, dass sie nicht willkommen ist, ständig legt er sich mit ihr an und will sie unterdrücken. Auch das Personal ist wenig freundlich. Nur Lucy, die etwa im selben Alter wie Hettie ist, freundet sich sofort mit ihr an.

Die Geschichte fängt langsam an. Die Autorin verwendet alle klassichen Motive der phantastischen Schauerliteratur, die eine unheimliche Atmosphäre erschaffen, die dem Leser langsam an den Nerven zerren sollen. Schon bald hat auch Hettie Albträume, fühlt sich verfolgt, von leuchtenden Augen auf dem Flur, Frauen in weißer Kleidung und dann hat sie immer das Gefühl, dass ihre Tiere verschoben werden. Plötzlich fehlt ein Panther, dann einige Kolibris. Nichts taucht wieder auf. Und dann sind da noch die vielen Zimmer, 92 an der Zahl, die fast alle nicht genutzt werden und in denen alle Gegenstände abgedeckt sind.

Die beiden jungen Frauen pushen sich in ihren Ängsten gegenseitig hoch, was sie aneinander schweißt. Doch auch so haben sie viele Gemeinsamkeiten, wie es nur Seelenverwandte haben. Beide haben nur wenige Erfahrungen mit Männern und diese waren nicht schön. Keine hatte je eine beste Freundin. Doch diese beiden können sich alles anvertrauen. Lucy hat immer wieder Träume von einem blauen Zimmer, doch auf Lockwood Manor gibt es kein blaues Zimmer.  Außerdem fühlt sie sich verfolgt. Hettie steht ihr bei und will unbedingt hinter das Geheimnis kommen.

Das Buch konnte mich nicht in Schrecken versetzen. Das Unheimliche ist gar nicht gruselig. Denn immer handelt es sich nur um Träume oder Vermutungen. Die seltsamen Geräusche und leuchtenden Augen auf den Fluren werden immer als die von Tieren ausgegeben, die in das modrige Gebäude hineingeschlichen sind.
Die ganze Zeit weiß man nicht, wo die Geschichte hin will. Es bleibt immer offen, ob die Geschichte ins absolute Phantastische abdriftet oder ob man alles rational, freudianisch erklären kann.
Im Mittelpunkt steht dann auch nicht die Gruselgeschichte, sondern viel mehr der Aufbrauch von Frauen, die sich während des Zweiten Weltkriegs selbstbehaupten müssen. Es wirkt, als ob zwei komplett unterschiedliche Geschichten aus mindestens zwei entgegengesetzten Genres zusammengeschmolzen werden sollten.
Warum die Autorin die Geschichte ausgerechnet in diese Zeit verortet, konnte ich mir nicht erklären. Die meiste Zeit spielt der Krieg keine Rolle, da sich das Haus mitten auf dem Land befindet. Am Ende kommen auch mal Luftangriffe vor, diese spielen für das Fortschreiten der Handlung jedoch keine Rolle.

Unterhaltsam, viele Gruselelemente ohne Gruselmomente und eine Katastrophe, die aber auch nur so wirkt, als hätte die Autorin drei Möglichkeiten für einen Schluss gehabt, und hätte sich für eine entscheiden müssen.