Rezension

Eine Zeitreise allererster Güte

Raumpatrouille - Matthias Brandt

Raumpatrouille
von Matthias Brandt

Bewertet mit 5 Sternen

Geschichten, die die Kindheit in den 70ern wieder lebendig werden lassen

Matthias Brandts Debüt ist für mich DAS Buch dieses Bücherherbstes.

Er nimmt uns mit in die BRD der späten 60er und frühen 70er Jahre und zwar mit allem Drum und Dran: James Last, der mit dem Finger schnippst, Ilja Richter, der Sepp Maier in seiner Sendung "Disco" zu Gast hat, Wim Thoelke, Fanta und Teewurstbrote... ach, da werden Erinnerungen wach.

Ich kann mich gar nicht entscheiden, welche der vielen kurzen und kurzweiligen Geschichten ich am liebsten gelesen habe.

Ein Highlight ist auf jeden Fall die Fahrradtour mit Herbert Wehner.  Willy, etwas aus der Übung, kann das Gleichgewicht nicht halten und kippt, wie in Zeitlupe, langsam zur Seite und landet im Gemüsebeet. Wehner, dies alles nicht bemerkend, fuhr, wichtig vor sich hin monologisierend, noch einige Meter weiter, während Brandt einen auf die Konsonanten verknappten "exkrementellen" Fluch von sich zischte und mit lehmverkrusteten Hosen nach Hause stapfte.

Oder die  Besuche bei  Herrn Lübke. Matthias und seine Eltern wohnen Garten an Garten mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Lübke, mit dem er gern, von der Mama hübsch herausgeputzt, eine Tasse Kakao trinkt- schweigend, da dem alten Herrn allmählich die Worte ausgehen.

Und natürlich die Geschichte mit dem Raumanzug. Mit dem Bus unterwegs in die Stadt, um von dem Geld, das die Mama ihm mitgab, Schulbücher zu kaufen. So war es von der Mutter jedenfalls geplant. Aber im Kaufhaus hing ein Raumanzug. Na ja, mehr ein Gummipyjama ohne Helm, um ehrlich zu sein, aber für den siebenjährigen Matthias, im Innern schon längst Raumpilot, ist die Anziehungskraft des Anzugs trotzdem einfach zu groß, um zu widerstehen...

Ein Buch, das man nicht vergessen wird, auch und vor allem wegen seiner sprachlichen Brillanz. Die Geschichten sind mit so viel Liebe zum Detail, so voller Witz und pointiert geschrieben, dass man einfach nicht mehr aufhören möchte zu lesen. Da die Geschichten nicht aufeinander aufbauen, bräuchte man es theoretisch nicht am Stück zu lesen, aber ich konnte einfach nicht anders, als weiterzulesen.