Rezension

Ein Fisch springt in die Freiheit und ein Hochhaus steht Kopf ...

Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel - Bradley Somer

Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel
von Bradley Somer

Bewertet mit 4 Sternen

Goldfisch Ian lebt in einem Glas und steht momentan auf dem Balkon im 27. Stock, wo ihn sein Besitzer abgestellt hat. Dort schwimmt er seine Runden, bis der Zufall es so möchte und er in die Freiheit springt. Was im ersten Moment entzückend ist, wird im Nächsten zum freien Fall in Richtung Boden. Auf seinem Weg nach unten hat Ian einen guten Blick in die Wohnungen, an denen er vorbei fliegt, und schaut so in Leben, die er innerhalb seines Glases nie kennengelernt hätte. So erlebt er einen kurzen Augenblick auf Schicksale, auf Menschen mit anderen Leben, als die von seinem Besitzer und wird immer wieder von seinem eigenen Ende abgelenkt. Aber wie kam Ian in den 27. Stock? Warum konnte er in die Freiheit springen? Was wird er sehen? Und hat sich dieser Sprung gelohnt?

Dieses Buch hat mich sofort angesprochen, weil hier ein Goldfisch eine Hauptrolle spielt und ich einfach gerne wissen wollte, wie diese Geschichte aufgebaut ist, wenn ein Goldfisch erzählt. So stürzte ich mich mit großer Begeisterung auf diese Geschichte, um schnell zu merken, Ian ist nur ein ganz kleiner Teil des Ganzen. Natürlich bekommt er seine Stimme, aber es nimmt nicht zu großen Raum ein, denn der Autor hat ein bisschen was anderes mit uns vor. Er setzt das Haus in der Roxy Street in den Mittelpunkt beziehungsweise seine Bewohner. Diese riesigen Gebäudekomplexe haben ja eines gemeinsam, man ist anonym und genau das, wird es nach diesem Tag nicht mehr sein. Bradley Somer hat sich einige Schicksale herausgesucht und lässt uns nicht nur in ihre Leben schauen, sondern sie auch mit anderen Mitbewohnern zusammentreffen und was dann passiert nennt man wohl Leben.
Ich möchte gar nicht groß auf jeden Einzelnen eingehen, denn ich fand es spannend, was sich hinter jeder einzelnen Tür verborgen hat und manches musste sich erst so richtig offenbaren. Aber eins kann gesagt sein, er hat sich wirklich sehr ungewöhnliche Schicksale rausgesucht, die einen sehr überraschen und mitfiebern lassen. So erleben wir Freude, Leiden, Liebe, Erfüllungen und eine große Portion Humor.  Was so alles passieren kann, wenn mal der Aufzug nicht funktioniert und die Bewohner sich im Treppenhaus begegnen.
Das Besondere aber an der ganzen Geschichte ist das Talent des Autors seine verschiedenen Erzählstränge zu verknüpfen. Er fängt mit Ian an und geht mit jedem Kapitel zum nächsten über, bis Ian wieder dran ist. Dabei hat er auch noch herrliche Überschriften zu jeden, die einen da schon zum Schmunzeln bringen. So erzählt er eigentlich eine Geschichte, die in nur wenigen Augenblicken passiert, gibt uns aber das Gefühl durch seine Mitbewohner imens viel erlebt zu haben. Erst zum Schluss wird uns so richtig klar, wie kurz Ian‘s Flug war und wie schnell sich Menschen verändern können.
Diese Sicht auf dieses Wohnhaus zeigt uns wieder, wie wenig wir von unserer Umgebung wahrnehmen. Wie wir mit Scheuklappen durch unser eigenes Leben laufen und unseres so wichtig nehmen. Dabei vergessen wir doch gern mal nach rechts oder links zusehen. Das Haus in der Roxy Street ist auch ein Spiegelbild einer Großstadt und ihrer Bewohner und hat nicht nur gut unterhalten, sondern auch ein bisschen den Finger erhoben um darauf aufmerksam zumachen.