Rezension

Ein Buch wie das Meer

Der Sommer, in dem es zu schneien begann - Lucy Clarke

Der Sommer, in dem es zu schneien begann
von Lucy Clarke

Bewertet mit 4 Sternen

Eva & Jackson! Ehefrau & Ehemann! Freundin & Freund! Sie & Er! Verbündete! Liebende! Vertraute! Seelenverwandt! Für immer! Auf ewig! So sollte es sein! Doch dann kommt alles anders. Kurz nach ihrer Hochzeit verliert Eva ihren Mann. Dieser Verlust bricht über Eva wie eine riesige Welle zusammen, drückt sie unter Wasser, raubt ihr den Atem, setzt sie Kräften aus, denen sie nicht trotzen kann und so treibt sie im offenen Meer dahin... Einsam! So einsam! Mit einer Leere in ihrem Inneren, die sie fast zerreißt. Um diese zu füllen und um Jackson näher sein zu können, reist Eva in seine Heimat Tasmanien. Im Gepäck die Hoffnung bei seinem Vater und Bruder Trost, Halt und Verständnis zu finden. Evas ganzes Sein kreist nur um Jackson, sie möchte nur an ihn denken, nur ihn spüren, nur von ihm hören... Doch statt sich Jackson näher zu fühlen, droht Eva die Verbindung zu ihm zu verlieren. Wieso will seine Familie partout nicht über ihn reden? Eva beginnt Geheimnisse aufzudecken, die sie in die Vergangenheit führen, zu einen Sommer in dem es zu schneien begann und dabei droht Eva ihre eigene Vergangenheit zu verlieren: Mein Ehemann? Mein Vertrauter? Mein Freund? 

Lucy Clarke versteht es ausgezeichnet Leser in ihren Bann zu ziehen. Wie eine Anglerin, wirft sie ihre Rute aus, ködert, hat einen innerhalb von ein paar Seiten am Haken und lässt einen nicht mehr los! 
Sobald man erkennt, dass bei ihr alles einen doppelten Boden, ein zweites Gesicht, eine Bedeutung hat und es für Lucy Clarke keine Zufälle gibt, sondern sich alles in ein großes Ganzes fügt und miteinander verzahnt ist, kann man aus dem Karussell aus Spannung nicht mehr aussteigen. Es dreht sich unablässig weiter, ohne an Schwung zu verlieren. Eine Entdeckung jagt die Nächste. Ständig tritt eine neue unvorhergesehene Wendung ein. Immer mehr Gewissheiten geraten heftig ins Wanken. Man zweifelt an sich selbst, an seinen eigenen Vermutungen, stellt diese in Frage, verwirft sie, um dann doch wieder zu ihnen zurückzukehren. Aber es ist nie „zu viel“, die Übertreibung umschifft sie sehr gekonnt. Es gelingt ihr die Balance zwischen spannenden unvorhergesehenen Wendungen und unglaubwürdigen Entwicklungen zu halten.

Wenn man in diese Geschichte eintaucht, badet man in einem Meer aus Gefühlen. Liebe, Verrat, Trauer, Verlust, Verleumdung, Verrat, Schmerz, Angst, Resignation, Vergebung, Erkenntnis und Hoffnung. Von allem bleibt etwas an einem hängen, wenn man seine Bahnen durch das Buch zieht und hinterlässt eine ganz zarte Spur. Zart wie der Stil indem Lucy Clarke über Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen schreibt. Immer authentisch! Nie „gefühlsduselig“! Und auf gar keinen Fall kitschig! 

Ein Roman, der einen an die dunkelsten Ränder der menschlichen Seele führt und einem gleichzeitig Verständnis lehrt. Eine Geschichte die einen Liebe an einem ganz unerwarteten Ort finden lässt und einem Hoffnung schenkt. 

Eine Liebeserklärung an das Meer, das wie die menschliche Seele in seinen Tiefen ruht, aber sich von Zeit zu Zeit aufbäumt, schäumt und ausbricht.  
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