Rezension

Ein Buch, das mich nachdenklich zurücklässt...

Wir wollten nichts. Wir wollten alles - Sanne Munk Jensen, Glenn Ringtved

Wir wollten nichts. Wir wollten alles
von Sanne Munk Jensen Glenn Ringtved

Bewertet mit 4 Sternen

die Autoren:

Sanne Munk Jensen, Jahrgang 1979, ist eine dänische Schriftstellerin. Sie schreibt vorwiegend für junge Erwachsene und wurde mehrfach ausgezeichnet. Für den Roman "Wir wollten nichts, als es begann. Wir wollten nichts. Wir wollten alles" erhielt sie gemeinsam mit Koautor Glenn Ringtved den Autorenpreis des dänischen Kultusministeriums 2013.

Glenn Ringtved, 1968 geboren, ist ein dänsicher Schriftsteller. Er hat bereits mehr als vierzig Bücher für Kinder und junge Erwachsene geschrieben, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Für den Roman "Wir wollten nichts, als es begann. Wir wollten nichts. Wir wollten alles" wurde er gemeinsam mit seiner Koautorin Sanne Munk Jensen mit dem Autorenpreis des dänischen Kultusministeriums 2013 ausgezeichnet.

Klappentext:

Lässt nicht los: Liebe, die absoluter nicht sein kann. Zwei Leichen werden aus dem Limfjord gezogen: Liam und Louise. Ihre Hände sind mit Handschellen aneinandergekettet. Alle Indizien weisen auf Selbstmord hin. Louises Eltern zerbrechen fast am Tod ihrer Tochter, doch ihr Vater klammert sich daran, die Wahrheit herauszufinden. Als er Louises Tagebuch findet, eröffnet sich ihm das Leben, das seine Tochter und Liam in den vergangenen Monaten geführt haben. 

Ein Roman, der unter die Haut geht: gewaltig und voller Sehnsucht mit einer Heldin voller Hingabe und einem Protagonist voller Widersprüche. In der Tradition der großen skandinavischen Autoren.

Charaktere:

Louise war ein Mädchen aus gutem Hause, jedoch hatte das Verhältnis zu ihren Eltern, insbesondere das zu ihrer Mutter Ulla, einen tiefen Knacks. Sie fühlt sich missverstanden und allein.
Sie war eine Einzelgängerin und konnte mit anderen Menschen nicht wirklich viel anfangen. Bis zu dem Tag, an dem sie Liam traf. Für Louise war ab diesem Moment das Leben davor bedeutungslos. Es war Liebe auf den ersten Blick und sie floh mit ihm aus Ihrer Welt.

Liam hatte Visionen. Er liebte Louise und wollte mit ihr ein Leben aufbauen, in dem er ihr alles bieten kann, was sie sich wünschte. Er war zärtlich, liebevoll und wollte sie auf Händen tragen. Erst die nach und nach aufgetretenen Probleme riefen unschönere Wesenszüge an ihm hervor. Doch der Drang Louise zu beschützen, blieb übermächtig.

Meinung:

Die Geschichte beginnt im Leichenschauhaus, wo die beiden mit Handschellen aneinandergekettet liegen und von anderen betrachtet und bewertet werden. Es folgen Vorwürfe zwischen den Eltern, Unverständnis und Beschuldigungen. 
Und die große Frage, wie es soweit kommen konnte. Was als große Liebe begann, endete als Katastrophe, aber warum nur??

Die Art und Weise, mit der uns das Weiterlesen schmackhaft gemacht wird, finde ich sehr gelungen. Man bekommt die brisanten Details nur nach und nach, so nimmt das Buch mehrfach recht unerwartete Wendungen. Auch der Schreibstil, der sich durch kurze, einfach Sätze auszeichnet, liest sich sehr flüssig.
Was mir besonders gut gefällt, ist der Wechseln der Erzählzeitpunkte. Wir bekommen, jeweils im Wechsel, immer einen Teil aus dem Leben der Hinterbliebenen und dann die Geschichte wie es dazu kam, erzählt. Immer aus der Sichtweise von Louise, als wäre sie ein Geist, der die Lebenden nach ihrem Tod beobachtet.

"Wir wollten nichts. Wir wollten alles" ist eine Geschichte über Hoffnung und Liebe, aber auch über Verlust, Schmerz und die verschiedenen Arten, damit umzugehen.
So bekommen wir anfangs primär mögliche Arten des Umgangs mit diesem Verlust vor Augen geführt. 

Ulla, Louises Mutter, gibt sich und ihrem Mann Gorm die Schuld, denkt, sie haben sich zu wenig gekümmert und hätten mehr für Louise da sein müssen. Sie weint viel und möchte über ihren Verlust reden. 
Gorm wiederum gibt Ian, Liams Vater, und Liam durch ihren schlechten Einfluss die Schuld. Er denkt, von alleine hätte sich Louise so etwas nie angetan. Ihn nervt die Heulerei von Ulla, viel lieber möchte er herausfinden, was wirklich passiert ist und stürzt sich in seine Recherchen.
Ian hingegen igelt sich ein, trinkt und versteht die Welt nicht mehr. Das geht sehr zu Lasten von Jon, Liams kleinem Bruder.
Ich denke, viele von uns hatten bereits einen schweren Verlust zu betrauern, so werden sich viele mit einer der Vorgehensweisen identifizieren können. Vielleicht kann das Lesen der anderen Charaktere ja eventuell dabei helfen, Menschen besser zu verstehen, die eben anders damit umgehen. 
Trauer an sich ist eine sehr suspekte, vielschichtige Emotion, bei der jeder seinen eigenen Weg finden muss. Ich denke, das ist auch ein Teil der Intention der Autoren, das Nachdenken über unterschiedliche Herangehensweisen.

Eine Geschichte über den Traum von Kindern über ein besseres Leben, die große Liebe und die katastrophalen Auswirkungen einer einzigen dummen Entscheidung. Dies erinnert mich daran, dass, auch wenn es stellenweise abgedroschen klingen mag, es nicht von der Hand zu weisen ist, dass derartige Schicksale auch im wahren Leben existieren. 
Für mich ist "Wir wollten nichts. Wir wollten alles" definitiv ein Buch, dass mich nachdenklich zurück und hoffen lässt, dass sich möglichst niemand in einer solchen Situation wiederfinden muss.

Vielen herzlichen Dank an Oetinger für dieses Rezensionsexemplar!