Rezension

Ein besonderes Buch

Ein Teelöffel Land und Meer - Dina Nayeri

Ein Teelöffel Land und Meer
von Dina Nayeri

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Saba und Mahtab sind Zwillinge und unzertrennlich. Bis zu diesem einen Sommer ihres 11. Lebensjahres. Mahtab und Sabas Mutter verschwinden plötzlich auf mysteriöse Art und Weise aus Sabas Leben. Saba fühlt sich seitdem unvollständig und will unbedingt herausfinden was geschehen ist. Die Nachbarn tuscheln über einen Badeunfall bei dem Mahtab ums Leben gekommen sein soll und eine missglückte Flucht ihrer Mutter aus dem Iran. Doch wie kann das stimmen wenn Saba ihre Mutter zuletzt am Flughafen sah wie sie mit Mahtab in ein Flugzeug nach Amerika stieg? Saba ist überzeugt dass sowohl ihre Schwester als auch ihre Mutter noch leben. Sie glaubt an eine andere Geschichte und mithilfe ihres Zwillingssinnes versucht sie in den folgenden Jahren Mahtabs Leben in Amerika nachzuempfinden.

Meinung:

Jeder der Geschwister hat kann wohl eine bestimmte Verbundenheit zu diesen nicht leugnen. Dabei spielt es keine Rolle ob man sich gut oder schlecht mit ihnen versteht denn man gehört trotz allem immer ein Stück weit zusammen ob man will oder nicht. Bei Zwillingen ist diese Verbundenheit besonders stark ausgeprägt. Umso härter trifft es Saba Hafezi als sie mit ansehen muss wie ihre Mutter zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Mahtab in ein Fluzeug nach Amerika steigt. An diesem Tag sieht sie beide zum letzten Mal. Fortan fühlt sie sich unvollständig ohne Mahtab an ihrer Seite. Ihr ist egal wie oft Nachbarn, Freunde und sogar ihr Vater darauf bestehen dass Mahtab nie am Flughafen war. Saba ist sich sicher mit ihrem Zwillingssinn kann sie spüren dass Mahtab den Iran mit der Mutter verlassen hat und nun in Amerika lebt. Sie erfindet Briefe von Mahtab und Geschichten über Mahtabs Leben in Amerika.

“Als Mahtab in Amerika angekommen ist, musste sie sich erst mal an die neuen Regeln gewöhnen, und wahrscheinlich ist ihr das ziemlich schwergefallen – weil die Hafezis hier in Cheshmeh ja die bedeutendste Familie sind.” (Seite 48)

Auch als Saba älter wird denkt sie nicht daran etwas anderes zu glauben als dass Mahtab nun irgendwo in Amerika lebt. Trost und Verständnis findet sie bei ihren beiden besten Freunden Ponneh und Reza, in den Saba heimlich verliebt ist. Obwohl Ponneh und Reza nicht überzeugt sind von Sabas Geschichten hören sie ihr doch immer wieder voller Begeisterung zu und trösten sie wenn der Schmerz um den Verlust von Mahtab zu stark wird.
Einen wichtiger Bestandteil des Buches ist, das die Geschichte im Iran spielt und immer wieder wird deutlich wie anders das Aufwachsen und Leben im Iran, speziell den dörflichen Gegenden, doch ist. Regelmäßig besuchen Mullahs (islamische Rechts- und Religionsgelehrte) das Haus der Hafezis um zu überprüfen ob Saba und ihr Vater sich an die Regeln und Vorschriften des Islam halten. Saba fällt es des öfteren schwer sich nach diesen Regeln zu richten, hat doch ihre Mutter sie und Mahtab immer ermahnt Köpfchen zu beweisen als blind diesen, teils nicht nachvollziehbaren, Regeln zu folgen und sich nicht stets als niederes Wesen behandeln zu lassen. Welche Folgen es allerdings haben kann sich Regeln und deren Hütern zu wiedersetzen wird Saba und dem Leser schmerzhaft deutlich vor Augen geführt als Ponneh mit jemandem von der Sittenpolizei in einen Konflikt gerät.

“Mustafa hebt den Stock und beginnt, auf ihren Rücken einzudreschen. [...] Ponneh weint “Hör auf”, schluchzt sie. [...] Aber Mustafa hört nicht auf. Er steht über sie gebeugt und drischt wie von Sinnen auf sie ein.” (Seite 148 ff.)

Das Buch fesselt mit einer, nicht nur, spannenden sondern auch berührenden Geschichte. Sabas Bemühen an dem Glauben dass Mahtab in Amerika lebt festzuhalten ist bewegend und mitleiderregend zugleich. Als Leser beginnt man zu rätseln, zu hoffen, Ideen zu entwickeln und wieder zu verwerfen. Vorallem aber kommt man nicht umhin Sabas Geschichten gebannt zu lauschen und immer wieder den Gedanken im Kopf zu haben dass es genau so sein könnte.
Was den Lesegenuss ein wenig trübt sie die vielen Fremdworte die immer wieder im Buch benutzt werden: Taarof und Bazi sind nur zwei dieser Begriffe. Obwohl manche dieser Wörter sehr oft im Buch genutzt werden fällt es schwer sich alle Erklärungen zu ihnen zu merken. Auch die Erklärungen selbst sind oft nicht sehr aufschlussreich sodass man mehr als einmal vor dem Buch sitzt und krampfhaft versucht sich die Bedeutung des gerade gelesenen Satzes zusammen zu basteln. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen eine Liste der Fremdwörter mit ans Ende oder den Anfang des Buches zu setzen. Davon sollte man sich jedoch keinesfalls abschrecken lassen denn wer über diesen kleinen Schönheitsfehler hinwegsieht, den erwartet eine ganz besondere und fesselnde Geschichte mit viel Herz, Freundschaft und Geschwisterliebe die einen einfach nicht mehr loslässt.

Fazit:

"Ein Teelöffel Land und Meer" ist ein besonderes Buch. Ein Buch das einen packt und mitreisst ohne dabei an fesselnder Handlung zu verlieren. Von Anfang bis Ende rätselt der Leser mit und muss seine Ideen immer wieder neu überdenken. Ein Buch über die Macht des Glaubens und Geschichtenerzählens.