Rezension

Echt Creepy

Creep -

Creep
von Philipp Winkler

Bewertet mit 3 Sternen

Fanni lebt in Deutschland. Minimalistisch ist ihre Wohnung eingerichtet, die ihr der Vater zur Verfügung gestellt hat. Sie betreut Kundenkonten von Menschen, die ihr Haus mit Sicherheitskameras ausgestattet haben. Eigentlich soll sie nur Fehlfunktionen beheben, doch irgendwann hat sie angefangen, eine Kundenfamilie zu stalken. An ihrem Leben teilnehmen, so umschreibt sie es. Junya in Japan kommt kaum aus seinem Zimmer heraus. Seine Mutter behandelt er wie eine Dienstmagd. Er bemerkt nicht einmal, dass sie krank ist. Nur manchmal schleicht er sich nachts hinaus, um bei anderen Leuten einzubrechen. Was haben die beiden miteinander zu tun?

 

Zwei Menschen, die Kontakt eigentlich nur durch Medien haben. Dabei hat Fanni noch eine Art geregelten Alltag, allerdings weiß sie mit ihrem Wochenende nichts wirklich anzufangen. Man könnte beinahe meinen, sie fühlte sich ihrer gestalkten Familie eher zugehörig als ihrer biologischen. Zugegeben, mit ihren biologischen Eltern möchte man auch nicht verwandt sein. Junya hat sich in seinem Zimmer vergraben, treibt sich auf web-Seiten im Internet herum und sammelt Ablehnungsschreiben der Kunsthochschule. Erst als seine Mutter erkrankt ist er gezwungen, sein Leben zu ändern. Ob zum Besseren muss dahingestellt bleiben.

 

Als mittelalte oldschool Leserin fragt man sich, ob man irgendwie den Absprung verpasst hat. Mochte man das erste Buch des Autors so gerne, dass man den Folgeroman mit Spannung erwartet und sofort erworben hat, so musste man mit Erstaunen feststellen, dass man es nach wenigen Kapiteln erstmal geraume Zeit liegen lassen musste. Nun während des Urlaubs ist die Zeit gekommen, es erneut aufzuschlagen. Doch immer noch bleibt die Feststellung, zu diesen Figuren findet man keinen Zugang. Wobei Fanni noch halbwegs lebenstüchtig wirkt, wenigstens zu Beginn. Doch bei ihr gewinnt man den Eindruck, dass sie sich immer mehr im Internet verfängt. Und Junya ist eine so eigenartige Persönlichkeit. Allem Anschein nach hat er sich völlig von der Realität abgekoppelt. Nicht mal die Erkrankung seiner Mutter rüttelt ihn wach. Man sieht durchaus Parallelen zur heutigen Welt, wünscht sich allerdings, dass diese deprimierende Entwicklung noch aufgehalten werden kann. Der Inhalt des Romans ist irgendwie genauso düster und creepy wie das Cover. Für die Leserin war es leider nicht die passende Lektüre. Wie es von anderen gesehen wird, muss jeder oder jede für sich entscheiden.