Rezension

Du sollst dir kein Bildnis machen

Ohne jeden Zweifel - Tom Rob Smith

Ohne jeden Zweifel
von Tom Rob Smith

Daniel hatte eine behütete Kindheit ohne Konflikte. Er lebt nun mit einem Partner zusammen in London und hat sich beruflich noch nicht richtig etabliert. Seinen Eltern gegenüber hat er sich noch nicht geoutet. Diese haben ihr Gartenunternehmen verkauft und sind auf einen Hof nach Schweden gezogen, dem Herkunftsland der Mutter. Daniel erhält einen erschütternden Anruf seines Vaters: Seine Mutter ist psychisch krank und wurde in die Psychiatrie aufgenommen. Als er sich gerade auf den Weg nach Schweden machen will, kommt seine Mutter nach London: Sie sei nicht krank, das hätten die Ärzte erkannt, aber sie sei auf der Spur einer großen Verschwörung, und alle einschließlich ihres Mannes wollen sie mundtot machen, indem sie sie für verrückt erklären.

Die Mutter bringt eine Tasche voller Beweise mit und erzählt ihrem Sohn ausführlich, was alles in dem schwedischen Dorf vorgefallen ist. Dort gibt es eine eingeschworene Gemeinschaft unter einem alle beherrschenden Großbauern. Aus dem Rahmen fällt seine schöne, aus Afrika stammende Adoptivtochter Mia, die von vielen Männern begehrt wird. Wird sie missbraucht? Ist sie vielleicht nicht die Einzige? Und laut dem Vater ist sie eines Nachts plötzlich verschwunden - oder wurde sie ermordet? Daniel weiß nicht, ob er seiner Mutter glauben kann.

Dieser Zwiespalt trägt die Spannung: Wie soll Daniel die Geschichte seiner Mutter einschätzen, die teils sehr strukturiert und logisch ist, teils aber auf Spekulationen beruht. Ihr Verhalten ist sprunghaft; sie fühlt sich verfolgt und von ihrem eigenen Mann verraten. Doch was ist, wenn sie recht hat? Daniel muss erkennen, dass er seine Eltern gar nicht wirklich kennt; die Kindheitsgeschichte seiner Mutter ist ihm unbekannt, wie ja auch er seinen Eltern seine sexuellen Neigungen nicht geoffenbart hat. Wenn man schon die nächsten Angehörigen nicht wirklich kennt, wem kann man dann vertrauen?

Ein psychologisch fundierter Krimi, der ohne Blutvergießen auskommt und dennoch spannend bleibt. Und der Leser muss sich die Frage stellen, wie weit er seine eigenen Angehörigen und Freunde wirklich kennt und ihnen vertrauen kann.