Rezension

Dritter Fall für Sebastian Bergmann

Die Toten, die niemand vermisst - Michael Hjorth, Hans Rosenfeldt

Die Toten, die niemand vermisst
von Michael Hjorth Hans Rosenfeldt

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sebastian Bergmann, Kriminalpsychologe. Ganz nah am Abgrund. Beruflich und privat.

Durch Zufall wird in den Bergen ein Grab gefunden: Es enthält sechs Leichen, darunter zwei Kinder; alle erschossen und schon seit Jahren vergraben. Das Sonderteam um Torkel Höglund übernimmt den Fall. Die Identität zweier Opfer kann schnell ermittelt werden, doch die mutmaßliche Familie ist schwierig zu identifizieren. Stattdessen zeigt sich ein Zusammenhang mit einem tödlichen Autounfall.

Der Fall wird immer undurchsichtiger, die Ermittler treten auf der Stelle. Dazu kommt, dass keiner von ihnen den Kopf wirklich frei hat: Der Chef Torkel ist nach der Trennung von seiner Frau einsam und möchte endlich eine feste Beziehung zu seiner Kollegin Ursula; Ursula ist zwar nun auch allein lebend, doch kann sie diese Beziehung nicht eingehen; Billys neue Freundin bedrängt ihn, eine gemeinsame Wohnung zu beziehen; Vanja hat sich für eine Weiterbildung beim FBI in Amerika beworben und rechnet fest mit einer Zusage; Jennifer, die sie vertreten soll, will sich beweisen. Und natürlich der Kriminalpsychologe Sebastian Bergmann, der nicht fest zum Team gehört: fachlich brillant, aber ein menschlich eine Zumutung. Er hat bei einem Tsunami seine Frau und seine kleine Tochter verloren und diesen geheim gehaltenen Verlust nicht verarbeitet. Statt dessen beweist er sich seine Lebendigkeit damit, eine Frau nach der anderen zu verführen und dann sitzen zu lassen. Erst vor kurzem hat er entdeckt, dass er Vanjas Vater ist, und auch wenn sie das nicht erfahren darf, möchte er ihr nahe sein. Ihr Weggang nach Amerika würde alle gerade entstandene Nähe gefährden. Und so beginnt Sebastian wieder, die Menschen in seiner Umgebung zu manipulieren, um seine persönlichen Ziele zu verfolgen.

Dieser Krimi, wie auch seine beiden Vorgängerbände "Der Mann, der kein Mörder war" und "Die Frauen, die er kannte", lebt einerseits von einer spannenden Story und andererseits von den Charakteren, unter denen Sebastian besonders hervorsticht. Er ist eine schillernde Persönlichkeit, die man als Leser abwechselnd verflucht, bewundert, bemitleidet und verabscheut. Hjorth und Rosenfeldt schildern ihn bei aller Widersprüchlichkeit glaubwürdig und faszinierend. Auch die anderen Protagonisten sind lebendig und sie entwickeln sich weiter. Das macht den besonderen Reiz dieser Serie aus. Die Ermittlungen in diesem Buch entwickeln sich nur schleppend; wie komplex sie sind, kann der Leser zunächst nur vermuten - ein Indiz dafür ist, dass parallel die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan erzählt wird, deren Vater vor einigen Jahren spurlos verschwand. Zusammenhänge zwischen diesen Erzählsträngen werden erst nach und nach sichtbar. Diese Mehrschichtigkeit macht das Buch für mich gerade reizvoll. Bei Serien interessiert mich nicht nur der Fall, sondern auch die Beziehungen zwischen den Ermittlern und die Weiterentwicklung der Charaktere. Deshalb: Mir gefällt das Buch sehr gut, und obwohl man es auch einzeln lesen kann, erhöht es doch die Lesefreude, es als Element in die Serie einzuordnen. Wer als Ermittler nicht nur idealistische Gutmenschen sehen will, dem sei diese Serie empfohlen.