Rezension

Die Story plätschert so vor sich hin...

Kartoffeln al dente - Angelo Colagrossi

Kartoffeln al dente
von Angelo Colagrossi

Bewertet mit 3 Sternen

Zuerst mal zur Aufmachung: Das Buch ist schön in den Farben grün-weiß-rot gehalten. Der Grund liegt auf der Hand (Falls doch nicht: Italien...). Prinzipiell ist es ansprechend gestaltet, aber das 1. Manko fiel mir schon beim Durchblättern auf: Die Schrift ist meines Erachtens etwas klein geraten. Für mich als Jungspund mit besten Augen nicht so das Problem, wobei es dann doch anstrengend ist, wenn man im schummerigen Licht im Bett gemütlich schmökern will. Für jemanden wie z. B. meinen 66jährigen Vater wäre die Schriftgröße bereits ein absolutes K.O.-Kriterium. Das nur am Rande.

Die Geschichte handelt von dem 25jährigen Sizilianer Andrea, der für ein paar Wochen ins wundervolle Krefeld kommt aus zweierlei Gründen:

1. Seine Oma ist eine nach Sizilien ausgewanderte Krefelderin, und um das elterliche Restaurant, in dem viele deutsche Touristen einkehren, ordentlich führen zu können, soll er gefälligst in ihrer Heimatstadt Deutsch lernen in einem Intensiv-Kurs an der VHS.

2. Andrea hat sich erfolgreich für die Casting-Show „DSD5SK“ (Deutschland sucht den 5-Sterne-Koch) beworben und reist nun mit einem Koffer voller italienischer Lebensmittel an, um im deutschen TV mit speziellen Gerichten wie „Stockfisch mit Kartoffeln“ oder „Pansen auf römische Art“ zu glänzen.

Andrea wohnt während seines Aufenthaltes bei der ihm vorher unbekannten Krefelder Familie Heilmann. Und da geht diese ganze Stereotypen-Abklapperei schon gleich los. Die Heilmanns sind proletenhaft, ungebildet, und der Vater ist natürlich auf Hartz IV. Immerhin vollzieht diese Familie im Laufe des Buches eine Wandlung im positiven Sinne, was mich wieder etwas versöhnt hat. Die VHS-Lehrerin ist natürlich stocksteif (zumindest anfangs, bevor sie sich Andrea als Objekt ihrer Begierde aussucht) und erklärt die deutsche Sprache so kompliziert als nur möglich. Sogar die anderen VHS-Schüler sind stereotyp – der prollige Türke z. B. oder die selbstbewusste, aufgetakelte Osteuropäerin. Wobei - wenigstens die lesbische Asylantin aus Mosambik ist mal was Neues. Aber die VHS-Schüler bleiben weitestgehend im Hintergrund.

Übrigens fängt jedes Kapitel mit einer Lektion aus dem Buch „Übungsgrammatik Deutsch“ an. Prinzipiell ein netter Einfall, aber die Texte sind übelst langweilig und kompliziert und vermutlich nur für Germanisten verständlich. Ich schätze, dass das pure Absicht ist, um aufzuzeigen, wie schwierig und komplex die deutsche Sprache für Ausländer sein mag. Aber irgendwann nervt es, und ich habe diese Zitate einfach übersprungen.

Die Szenen im TV-Studio sind leider nicht ganz so spannend, wie man erwartet. Aber nachdem Herr Colagrossi selbst in dem Bereich tätig ist, ist es ja vielleicht einfach so unspektakulär, wie es hier geschildert wird. Und andererseits kann man auch dankbar sein, dass man die Castingshow nicht als Vorlage missbraucht, völlig überzogene, skurrile Szenen zu kreieren.

Ich hatte es ja oben schon mit Stereotypen. Nun bin ich weder patriotisch noch empfindlich, aber ein bisschen nervt es mich schon, dass Andrea scheinbar nur auf Langweiler oder Durchgeknallte trifft. Und natürlich sind die Deutschen so ungebildet, dass wirklich niemand mit dem Namen „Andrea“ klarkommt, so dass der Italiener sich ziemlich schnell in „Andreas“ umtauft, um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen. Ich meine, klar, welcher Deutsche weiß denn bitteschön, dass „Andrea“ in Italien ein Männername ist? Ist einem ja noch nie begegnet... (Stichwort: „Andrea Boccelli“, aber wer kennt den schon?...) Deshalb rafft es auch partout keiner der Deutschen, dass Andrea ein Mann ist und keine Frau und will dies selbst nach dieser skandalösen Aufdeckung nicht wahrhaben. In der Presse wird Andrea(s) deshalb sogar angedichtet, er sei eigentlich eine Transe. Schönes Klischee – und total nervig. Hach ja, die dummen Deutschen halt, die so rein gar nichts über Italien wissen...

Wobei man fairerweise dazu sagen muss, dass auch der Italiener nicht davon verschont bleibt, als leicht naiver Ausländer charakterisiert zu werden, der auch wirklich alles, was in Deutschland anders als in Italien ist, mit großem Erstaunen oder gar Entsetzen zur Kenntnis nimmt. Dafür, dass seine Oma Deutsche ist und er so viel mit deutschen Touristen zu tun hat in seiner Heimat, weiß er dann doch so gut wie nichts über die deutsche Kultur.

Die Story plätschert ein bisschen dahin. Da hätte man sicherlich mehr draus machen können. Immerhin ist einem der Protagonist durchwegs sympathisch und man wünscht ihm nur das Beste. Ein paar lustige Szenen sind auch dabei, nur leider nichts, wo ich wirklich mal richtig lachen konnte. Schade. Auch die Handlung hat nicht wirklich einen Spannungsbogen und dröppelt ein bisschen so vor sich hin. Ich hatte nicht das Bedürfnis, das Buch in einem Rutsch durchzulesen, weil ich die Spannung nicht aushielt...

Oh je, das klingt alles so negativ. Nun ja, so negativ will ich das ja gar nicht sehen. Generell ist es immerhin so, dass sich das Buch flüssig liest und kurzweilig für Unterhaltung sorgt. Ist also nicht so, dass ich KEINE Kaufempfehlung aussprechen würde. Aber es ist nicht der Brüller, und man wird es vermutlich ziemlich schnell wieder vergessen haben, wenn man es durch hat und wieder aus der Hand legt.

Ich denke auch nicht, dass eine Begeisterung für Italien ausreicht, um das Buch toll zu finden. Wie gesagt spielt die Handlung ja eh in Krefeld und nicht in Bella Italia, und davon abgesehen erfährt man eigentlich ziemlich wenig über Italien.

Nette Idee: Im Anhang finden sich noch in sehr knapper Form die entsprechenden Rezepte zu den im Buch erwähnten Gerichten.

Müsste ich das Buch so vom Unterhaltungswert nach Schulnoten bewerten, würde ich sagen: 3-.