Rezension

Die Malediven als Fluchtpunkt weißer Nichtstuer

Malé - Roman Ehrlich

Malé
von Roman Ehrlich

Bewertet mit 2.5 Sternen

Das Leben in Städten ist in der nahen Zukunft unerträglich geworden und für einige Medienschaffende wird die Hauptstadt der Malediven zum Fluchtpunkt. Die Klimakonferenzen unseres Jahrzehnts sind längst Vergangenheit. Über den Ruinen der Stadt scheint eine dichte Staubschicht zu liegen, während der ölig schillernde Wasserspiegel stetig steigt. Die Inselbevölkerung teilt sich in eine herrschende Schicht, einfache Arbeitskräfte, Nachkommen der Ureinwohner, Miliz und wohlhabende weiße Nichtstuer, die offensichtlich bisher in der Mangelwirtschaft überleben konnten. Der Fährmann für Abfall und Leichen bringt es auf den Punkt: „Diese Gesellschaft unterscheidet sich nicht von der, die vorher hier Müll produziert hat.“ Die Versorgung wird zukünftig davon abhängen, wie lange noch die Hauptinsel per Boot angefahren werden kann; denn das Meer überspült bereits den Hafen.

Elmar Bauch kommt in die Stadt, um endgültig mit dem Tod seiner Tochter Mona abzuschließen, der für ihn immer noch unbegreiflich scheint. Er hofft auf die Hilfe Verbündeter, die Licht in das Rätsel bringen können. Ein betagter Professor dient Bauch als Bezug zur einheimischen Kultur und könnte den Besucher wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Zugleich mit Mona verschwand ein amerikanischer Lyriker. Elmar will sich mit der US-amerikanischen Lyrik-Expertin Francis Ford treffen, die zum Thema der Epoche nach 9/11 mit dem Nachlass des verschollenen Judy Frank arbeitet. Sie bezweifelt zwar, dass sie Bauch helfen kann, hofft jedoch auf Überschneidungen, die ihrer Arbeit nützen. An anderem Ort trifft sich der Schriftsteller Adel mit einem Finnen, einem Jugendlichen und einem nigerianischen Schiffskoch, um deren Lebensgeschichten als Romanstoff zu verwerten.

In einer postapokalyptischen Szenerie beschreibt Roman Ehrlich Malé als Fluchtpunkt der Aussteiger und Verlorenen, als Ruinenlandschaft, über die eine Miliz bereits zu viel Macht ausübt und in der sich zu wenige Bewohner an der Versorgung und den Gemeinschaftsaufgaben beteiligen. Außerhalb des intellektuellen Wolkenkuckucksheims denkt allein die Niederländerin Hedi darüber nach, wie in Zukunft Menschen an und auf einem vermüllten Meer leben werden. Verwoben ist die Handlung mit der Inselsituation Berlins vor 1989 samt deren unangepasster Zuwanderer und den Mythen der Ureinwohner der Inselgruppe, in denen sich Handlungsanweisungen für den geschundenen Planeten verbergen könnten. Bis auf Hedi, die Konkretes bewirkt, wirkten auf mich alle Figuren wie Unfiguren, deren Schicksal in ihrer Blase mir gleichgültig blieb. Grund dafür ist die elitäre Sprache des Erzählers, die ich in der Situation des gemeinsamen Überleben-Müssens in der Postapokalypse so unrealistisch wie irritierend fand.

Kommentare

katzenminze kommentierte am 09. September 2020 um 18:55

Hihi, mir hat's ja ganz gut gefallen. Abe ich mag deine Überschrift. :D
 

wandagreen kommentierte am 09. September 2020 um 19:46

Es ist wirklich selten, dass du bei der Bepunktung so weit runter gehst.

Buchdoktor kommentierte am 10. September 2020 um 08:35

Es ist wirklich selten, dass du bei der Bepunktung so weit runter gehst.

:-))) Damit ich weniger als 7 Punkte gebe, muss ein/e Autor/in sich schon anstrengen ...

wandagreen kommentierte am 21. September 2020 um 22:57

Bin gerade am Lesen: es ist weniger die Sprache an sich, als die vielen überflüssigen Einschübe. Man muss das Verb suchen (das im Deutschen ja bekanntlich weit hinten steht)- und kann alles was davor kommt, weglassen. Eine Fülle überflüssiger Informationen.