Rezension

Der Flop des Jahres

Die Zeuginnen - Margaret Atwood

Die Zeuginnen
von Margaret Atwood

Bewertet mit 2.5 Sternen

 

Margaret Atwood, die Königin der Dystopie, die Ikone des Feminismus hat es getan!

Sie hat eine Fortsetzung ihres Meisterwerkes „Der Report der Magd“ geschrieben.

Von Millionen LeserInnen weltweit sehnlichst erwartet, vor allen Dingen nach der grandiosen ersten Staffel der Hulu Serie „The Handmaid’s Tale“, welche auf dem Roman basiert.

Durch einen Frauen verachtenden US Präsidenten Trump, durch die #MeToo Bewegung und durch den allgemeinen nationalistischen Rechtsruck in diversen Ländern, geriet „Der Report der Magd“ wieder in den Fokus und verkaufte sich in den letzten Jahren noch einmal millionenfach.

Das alles mag Margaret Atwood dazu bewogen haben, eine Fortsetzung zu schreiben.

Leider, denn nicht immer muss man jede Geschichte auserzählen. Oft sind offene Enden und Auslassungen effektiver.

Auf den ersten Seiten von „Die Zeuginnen“ packt den Leser ein gewisser Sog, wenn drei unterschiedliche Frauen - eine von ihnen, Tante Lydia, ist wohlbekannt aus dem Vorgänger Buch, die beiden anderen sind junge Mädchen - von ihrer Geschichte, die untrennbar mit dem Terror - Staat Gilead zusammenhängen, berichten.

Tante Lydia entpuppt sich anders, als angenommen und jeder Leser, der nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, weiß nach 50 Seiten, wer die beiden Mädchen Agnes und Daisy in Wahrheit sind.

Spätestens, als ich die Identität der Mädchen begriff, seufzte ich:“Oh, nein!“, denn was folgt, ist eine kolportagehafte Geschichte, deren letztes Drittel mich regelrecht nervte.

Margaret Atwood gibt dem Leser sogar ein Happy End…

Warum erliegt eine begnadete Autorin dem Mainstream?

Oft höre ich:“Es ist doch gute Unterhaltungsliteratur!“.

Genau, aber von Atwood erwarte ich etwas Anderes.  

Gut, es ist legitim, auch für eine Schriftstellerin von Atwood Rang, die Cash Cow, in diesem Falle ihres eigenen Buches und dessen Vermarktung durch einen Streaming Dienst, zu melken. Warum aber bekommt sie dafür den bedeutendsten britischen Literaturpreis, den Booker Prize?

Ist man im Johnson/Brexit/Wahnsinns Land so verzweifelt bemüht, politisch korrekt zu sein, dass man einer aufrechten Feministin diesen Preis für ein ganz und gar umfeministisches und unpolitisches Buch gibt?

Ja, gut, über Preise lässt sich trefflich streiten!

 

Was an „Die Zeuginnen“ besonders missfällt, sind die unausgegorenen Charaktere der beiden Mädchen, das komplette Fehlen eines interessanten männlichen Protagonisten (Kommandant Judd, Gileads oberster „Herrscher“, oder ein pädophiler Zahnarzt, sind alberne  Karikaturen) und eine Geschichte, die nicht adäquat erzählerisch zum Ende gebracht wird.

Statt dessen wird das, was am Interessantesten gewesen wäre, als Fußnote nebenbei erzählt. (Um en Detail auf die Geschichte einzugehen, ist die Spoiler Gefahr zu groß…).

 

Margaret Atwood bleibt eine meiner Lieblings- Autorinnen, auch wenn sie mir mit „Die Zeuginnen“ den Flop des Jahres 2019 beschert hat!