Rezension

Das Leben einer Frau

Wie Ihr wollt
von Inger-Maria Mahlke

 

Im Nebel vergangener Zeiten und historischer Ereignisse geriet sie fast in Vergessenheit: Mary Grey, jüngste von drei Töchtern des Herzogs von Suffolk und eine mögliche Thronfolgerin des kranken englischen Königs Edward. Kleinwüchsig und bucklig wird sie von ihren Zeitgenossen als Monstrosität gesehen; ihr Verstand aber ist hellwach und gewitzt.

Die Autorin übergibt Mary gewissermaßen die Feder und lässt sie in Tagebuchform drei Monate ihrer Zeit in Bishopsgate aufzeichnen, wo sie im Jahre 1571 auf Befehl Elizabeths I. unter strengem Hausarrest steht. Wie sehr die zu der Zeit 26jährige darunter leidet, ihr Leben nicht selbst bestimmen zu können, sondern stets von den Entscheidungen anderer abhängig ist, macht sie in teils resignierenden, teils sarkastischen Bemerkungen deutlich. Beschreibungen ihrer aktuellen Situation wechseln mit Marys geheimen Aufzeichnungen über ihre eigene Vergangenheit, stets verflochten mit der Geschichte und den Thronstreitigkeiten des englischen Königshauses seit dem Tod ihre „großen Onkels“, Heinrichs VIII. Tudor.

Mit einem klaren Blick für politische Realitäten und viel Menschenkenntnis zeigt sie Intrigen und Machtspiele am Hof auf.

Intelligent und einfallsreich erzählt die Autorin aus Marys sehr persönlicher Sicht von den politischen und religiösen Gegebenheiten und ihrer eigenen damit verbundenen Situation.   Die Form des Tagebuchs hebt dabei den sehr privaten, intimen Charakter hervor. Mahlke bedient sich einer „modernen“ Sprache, die sehr direkt ist und keinesfalls dem höfischen Ton entspricht. Auch das trägt zur Intimität bei und schlägt zudem einen Bogen vom 16. Jahrhundert zur Moderne. Denn die Themen Macht, das Verstricktsein in Intrigen und die politischen Opfer sind noch genauso aktuell wie zu Zeiten Elizabeths I.

 

Dass sich der Titel des Romans an Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ anlehnt, legt deren Hauptmotiv, die Suche nach Identität, auch als ein wichtiges Thema des Romans nahe,  ebenso wie Marys verzweifelte Suche nach Bewahrung ihrer Individualität.

 

Inger-Maria Mahlke gibt mit diesem Roman Mary Grey eine Stimme, stellvertretend für viele Frauen, die über den „wichtigen Dingen“ der Weltgeschichte vergessen wurden.

Ein anspruchsvoller Roman, der ein wenig Kenntnis der englischen Renaissance voraussetzt.