Rezension

Das hat Allende schon besser hinbekommen

Mayas Tagebuch - Isabel Allende

Mayas Tagebuch
von Isabel Allende

Mir ist, als wäre ich im letzten Jahr kopfvor hinab ins Dunkel gestürzt. Wie ein Samenkorn oder eine Wurzelknolle war ich unter der Erde, und eine neue Maya Vidal drängte ins Freie; mir sind Wurzelfädchen gesprossen auf der Suche nach Feuchtigkeit, dann Wurzeln wie Finger auf der Suche nach Nahrung und schließlich Stiel und Blätter, die entschlossen ans Licht wollen. Jetzt treibe ich offenbar Blüten, deshalb kann ich die Liebe erkennen. Hier im Süden der Welt macht der Regen alles fruchtbar.

Inhalt
Maya Vidal wächst bei ihren Großeltern, Nini und Pop auf, da ihre Mutter sie direkt nach der Geburt an ihren Vater abgegeben und sich aus dem Staub gemacht hat und ihr Vater als Pilot häufig unterwegs ist. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr führt sie ein behütetes Dasein, bis ihr über alles geliebter Pop stirbt. Maya wirft dieser Verlust völlig aus der Bahn. Sie rebelliert gegen alles und jeden und kommt in eine Art Besserungsanstalt, aus der ihr eines Tages die Flucht bis nach Las Vegas gelingt. Dort lernt sie die falschen Menschen kennen, stürzt im Drogensumpf vollends ab und verliert jeglichen Halt in ihrem Leben. Als sie erneut auf der Flucht vor einer Verbrecherbande ist, hilft Nini ihr, indem sie sie zu einem Bekannten nach Chile schickt. Auf einer abgelegenen Insel im Süden entdeckt Maya, worin der Zauber des Glücks und der tiefen Zufriedenheit liegt.

Meine Meinung
Allende schreibt ihren Roman in der Ich-Form, was ich bei dem Titel "Mayas Tagebuch" mehr als passend finde. Mir gingen die Einträge und Rückblenden in der Geschichte manchmal so nah, dass ich das Buch mehrfach zur Seite legen musste, weil die Grundstimmung düster, beklemmend und negativ war. Den Wechsel zwischen Las Vegas und Chiloe finde ich gelungen und habe insbesondere nach den heftigsten Drogeneskapaden immer den ruhigen Chiloe-Teil geradezu herbei gesehnt. Überhaupt hat mir die Beschreibung von Chiloe sehr gut gefallen und nachdem ich den Ort gegoogelt hatte, war ich ganz entzückt von dieser kleinen Insel im Süden von Chile. Die Ruhe fernab von jeglicher Hektik, die Chiloe ausstrahlt, haben auch zu meiner inneren Ruhe nach den Erzählungen von Las Vegas, die mich ganz kribbelig gemacht haben, beigetragen.

Maya selbst hat mir einerseits leid getan, weil sie in jungen Jahren schon so viele schlimme Dinge erleben musste. Andererseits habe ich jedoch auch keinen rechten Zugang zu ihr gefunden, was auch teilweise dadurch bedingt ist, dass ich einfach das Kind in der Geschichte vermisst habe. Ich musste mir immer wieder sagen, dass all das einer 15jährigen passiert.

Alle bisherigen Allende-Romane hatten eine starke Frauenfigur im Zentrum der Geschichte, was ich in diesem hier vermisst habe. Wenn überhaupt, dann könnte man nur ihre Oma Nini als eine solche bezeichnen. Maya selbst habe ich nur als die 19jährige wahrgenommen, die nun in Chiloe lebt und versucht ihre Erlebnisse in ihrem Tagebuch zu verarbeiten. Ob es ihr gelingen wird, ihr Leben in den Griff zu bekommen, kann ich nach dem Buch nicht sagen, habe jedoch meine Zweifel.

Isabell Allende ist eine meiner liebsten Autorinnen. Gerade die Verbindung zwischen der heutigen Zeit und den politischen Rückblenden in das Chile der Pinochet-Ära gefällt mir gut. So ist es möglich auch ein wenig über die Historie des Landes zu lernen. Besonders interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass ihr Vater Salvador Allende, selbst ein Präsident Chiles war und in der Geschichte erwähnt wird. Was muss es für ein Gefühl sein, den eigenen Vater und sein politisches Amt in die Handlung einflechten zu können?

Vom Erzählstil her ist es eigentlich ein typischer Allende-Roman und doch ganz anders, als alles, was ich bisher von ihr gelesen habe. Man konnte ihre ganz eigene Art zu schreiben erkennen, aber neu war mir die Beklemmung und düstere Stimmung, die auf vielen Seiten so prägnant war. Das kannte ich bisher nicht und es hat mir auch nicht gefallen.

Ich möchte dennoch 3 Sterne vergeben, weil es alles in allem eine gut erzählte Geschichte ist, mit wunderbaren Nebendarstellern wie Nini, Pop und Manuel und einer Protagonistin, die mir zwar nicht ans Herz gewachsen ist, aber dennoch authentisch skizziert wurde.

Fazit
Mayas Tagebuch ist eine düstere und beklemmende Geschichte über das Erwachsenwerden. Eine Charakterstudie über eine junge Frau, die durch den Verlust eines geliebten Menschen aus der Bahn geworfen wird und in der Ruhe zu sich zurück zu finden versucht. Ein ungewöhnlicher Allende-Roman, der nicht mit ihren früheren Romanen vergleichbar ist.