Rezension

Bewegend und berührend

Die vier Liebeszeiten
von Birgit Rabisch

Bewertet mit 5 Sternen

"...Die Wissenschaft hat unseren Blick schon sehr erweitert..., aber hat sie ihn auch vertieft?..."

 

Rena Reese gilt bei ihren Mitschülern als Intelligenzbestie. Ihre Lieblingsfach ist Physik, doch auch in Mathematik und Chemie überflügelt sie ihre Mitschüler. In ihrer Freizeit beschäftigt sie sich mit Astronomie. Deshalb hat sie auch wenig Lust, auf die Geburtstagsfete ihrer Freundin Monika zu gehen. Doch sie kann schlecht ablehnen. Auf der Partie wird auch Hauke, Monikas Cousin, erwartet. Er ist Student, lebt in einer Kommune und gilt als echt progressiver Typ.

Die Autorin schreibt die Lebensgeschichte von Rena und Hauke in vier Zeiten. Jede Jahreszeit wird an einem bestimmten Ereignis festgemacht. Der Frühling, der normalerweise für Neubeginn und Aufbruch steht, beginnt mit dem ersten Date, im Sommer, der Zeit der Fülle und der Wärme, erwartet Rena ihr erstes Kind, im Herbst, wo das Leben geruhsamer läuft, feiert Hauke seinen 60. Geburtstag und im Winter wird das erste Enkelkind erwartet.

Der Aufbau jedes Abschnittes ist ähnlich. Neben dem aktuellen Geschehen gibt es Rückblicke in die Vergangenheit. Im Frühling erfahre ich nicht nur, dass sich Rena und Hauke auf Monikas Geburtstagspartie kennengelernt haben. Ich erhalte auch Einblicke in Renas Kindheit, einer Kindheit, die sie bei der Oma verbracht hat. Diese hat das Mädchen in ihren Interessen gefördert und ihr eine Stärke mitgegeben, die sie durch die dunklen Zeiten der Kindheit getragen hat. Nicht nur für den Frühling gilt, dass die Rückblicke Episoden des Lebens zeichnen. Es werden die Ereignisse herausgegriffen, die das Leben geprägt und geformt haben und die in Erinnerung bleiben. Gleichzeitig zeichnet das Buch ein Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland über einen Zeitraum von 50 Jahren.

Das Buch lässt sich gut lesen. Der Sprachstil ist abwechslungsreich. Die Autorin beherrscht den Umgang mit Metaphern und der gekonnten Verwendung treffender Adjektive und Partizipien. Sehr schöne Sprachbilder beschreiben die Gegend, in der die Protagonisten mit ihren Jollenkreuzer Urlaub machen. Deutlich gegeneinander abgegrenzt werden die unterschiedlichen Lebensansichten. Rena ist Naturwissenschaftlerin. Das zeigt sich auch in ihren Gedanken und Äußerungen. Oft bringt sie Vergleiche aus der Welt von Physik und Astronomie. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür. Gedanken über die Verantwortung eines Wissenschaftlers trennen die Generationen. Hauke ist Schriftsteller. Er transportiert mit seinen Worten Gefühle. Trotzdem ist in jeder Zeile spürbar, dass die Liebe Rena und Hauke durch das Leben trägt. Die Anziehung bleibt bis ins Alter. Mir gefällt, wie behutsam die Autorin mit dem Thema Sexualität umgeht. Die Emotionen der Protagonisten durchziehen die Handlung. Freude über gemeinsames Erleben, Trauer über Abschiede, die zum Leben gehören, Angst um die Kinder, die nie aufhört, sind nur einige Beispiele dafür. Aussagekräftige Dialoge setzen punktuell Akzente.

Das Cover mit den vier Bildern in Form eines Filmes passt.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist berührend, tiefgründig und bewegend. Manche Sätze verdienen es, mehrmals gelesen zu werden.