Rezension

Alte Liebe rostet nicht?

Die verschollene Bernsteinkette -

Die verschollene Bernsteinkette
von Robert Mitterwallner

Bewertet mit 3 Sternen

Passables Erstlingswerk, durchaus anrührend und interessant zu lesen, dem aber das gewisse Etwas fehlt.

Skizzenhaft mutet es an, das kleine Büchlein, das Robert Mitterwallners Erstling ist. Im Anschluss an die Lektüre kann man lesen, dass der Autor seine schriftstellerische Tätigkeit mit Tagebuchaufzeichnungen begonnen hat – und genauso kommt mir die Geschichte auch vor! Tagebuchaufzeichnungen allerdings, die nicht nur von dem ein wenig verloren wirkenden, suchenden, ziemlich einsamen und ratlosen Protagonisten Alex verfasst wurden, sondern vielmehr abwechselnd von all jenen, die an dem Vorfall vor 40 Jahren, den eben jener Alex im Jahre 2016 wieder aufrollt, um endlich ein altes, über die Jahre vergessenes Rätsel zu lösen, das plötzlich wieder gegenwärtig wird, als Alex Tochter sich in den Sohn der Hamburger High Society Dame Anne verliebt, die zu der Gruppe von fünf jungen Leuten gehörte, die im Sommer 1976 gemeinsam ihre Ferien auf Sylt verbrachten, die mit dem Verschwinden einer weiteren jungen Frau, Tina, abrupt endeten, in die Alex seinerzeit verliebt war. Nur halbherzig, wie es mir scheint, hatte dieser versucht, Tina zu finden – um sie wenig später zu vergessen. Wie das nun einmal so ist, wenn man jung ist und das ganze Leben noch vor sich hat. Normalerweise. Ausnahmen mag es geben, aber sie sind so selten wie jene blaue Blume der frühen Romantiker.

Das genau aber ist die Crux an der Sache! Kann man einen Menschen über einen so langen Zeitraum vergessen, um sich dann plötzlich wieder an die, sicherlich nicht lange, Zeit der Verliebtheit erinnern, die längst vorbei ist, überdeckt von einem, wie man den Eindruck bekommt, durchaus erfüllten Leben an der Seite einer Frau, die man liebt, bis sie dann verstarb? Ist es die Einsamkeit, die Sehnsucht nach einer neuen Partnerschaft, die längst vergessene Gefühle zu einem längst vergessenen Menschen wieder hochkommen und sich regelrecht daran festbeißen lässt? Denn Alex lässt nichts unversucht, spannt die nicht gerade begeisterten flüchtigen Bekannten von damals, denn mehr waren sie nie und sind sie auch heute nicht, ein, um Tina aufzuspüren und herauszufinden, was denn eigentlich mit ihr geschehen ist und ob sie überhaupt noch lebt.

Der Leser weiß bereits mehr, ist Alex voraus, der inzwischen seine Tochter und deren Freund, zwei obercoole, aber gutmütige, wenn auch lethargische 'Chiller', gebeten hat, Internetanzeigen auf der ganzen Welt aufzugeben, um über eine unverwechselbare Bernsteinkette, Alex Geschenk an die damals Angebetete (warum sollte sie die noch tragen, frage ich mich, überschätzt Alex die eigene Wichtigkeit nicht gar zu sehr?), Tinas Aufenthaltsort ausfindig zu machen.

Und so, wie die Tagebuchaufzeichnungen, wie ich sie weiterhin nennen möchte, wechseln, so wechseln auch die Schauplätze: von München nach Hamburg, nach Sylt, nach Berlin – und nach Neuseeland, denn dort.... Man kann es sich denken, und auch vermuten, wie die Geschichte ausgehen wird!

Durch die Kürze des Romans und die ständig wechselnden Schauplätze und Perspektiven sind es eigentlich nur Streiflichter einer Geschichte, die uns der Autor sehen lässt. In die Tiefe blicken wir nicht, wobei ich mutmaße, dass es da auch wenig auszuloten gibt, bei keinem der Fünf, so wie der Autor sie angelegt hat, und schon gar nicht bei Alex Studententochter Elsa und Annes Tagträumersohn Paul. Schade, denn ich mag es gerne tiefgründig und facettenreich – und wenn schon große Gefühle, dann aber richtig und konsequent und nicht so lauwarm dahinplätschernd, freilich mit einem paukenschlagartigen Happy End, das vierzig Jahre einfach wegwischt und das mich dann doch umhaut, mir zuviel ist, das schlicht und einfach zu dick aufgetragen wurde, der die ganze Zeit über durch Nüchternheit ersetzten Romantik wegen, die bei einem solchen Ende eigentlich im Vorfeld angebracht gewesen wäre.

Zudem – Tinas Geschichte, wie wir sie allmählich erfahren, kam mir sehr wenig realistisch, sehr konstruiert vor, gar nicht nachvollziehbar, zumal ich mir für ihre Probleme die eine oder andere schlüssigere Lösung gut, besser, hätte ausmalen können.

Aber nun - „Die verschollene Bernsteinkette“ ist ein Erstlingswerk, ein trotz meiner Kritik passables, und daher mit Wohlwollen zu betrachten! Im Übrigen könnte ich mir vorstellen, dass aus den 'Tagebuchskizzen' ein richtig guter, detaillierter, in die Tiefe gehender, vielschichtiger Roman hätte werden können – oder noch werden kann? - , denn die Zutaten, die einen solchen Roman ausmachen, sind alle bereits vorhanden, aber, sozusagen, noch nicht so miteinander verarbeitet, dass sie sich voll entfalten können! Und es wäre nicht das erste Mal, dass aus einer 'Vorübung', einem Ausloten, schließlich etwas ganz Großes und Großartiges entsteht....