Rezension

Absolute Leseempfehlung!

Worte für die Ewigkeit - Lucy Inglis

Worte für die Ewigkeit
von Lucy Inglis

Inhalt:

Die erste Geschichte in diesem Buch spielt im Jahre 1867. Die junge Emily ist gerade mit der Kutsche unterwegs nach San Francisco zu ihrem zukünftigen Ehemann, den sie bislang nur von einem Foto her kennt. Doch unterwegs kommt es einem Unfall. Alle Insassen – mit Ausnahme von Emily - verunglücken tödlich. Das Mädchen befindet sich mitten in der Wildnis von Montana, als der Indianer Nate sie findet und bei sich aufnimmt. Er kümmert sich um sie, doch als Emily Nate bittet, er möge sie wieder nach Hause - besser gesagt - zu ihrem zukünftigen Ehemann bringen, weigert sich dieser.
In der Gegenwart reist Hope gemeinsam mit ihrer Mutter Meredith nach Montana. Meredith möchte hier Forschungen anstellen. Ihre Unterkunft haben beide auf einer Ranch gebucht. Der Ranchersohn Cal kümmert sich ein wenig um die schüchterne Hope. Er bittet sie, ihm bei der Stallpflege zu helfen und beobachtet mit ihr nach getaner Arbeit den Sonnenaufgang. Meredith hat ihre Tochter unter ihrer Fuchtel. Wäre sie nicht gerade unterwegs gewesen, als Cals Vater vorschlägt, Hope könne seinen Sohn auf der zweitägigen Reise zu dessen Tante begleiten, wäre Emily wohl auf der Ranch geblieben. Aber so beginnt für die zurückhaltende Londonerin eine sehr spannende Reise.

Wichtigste Charaktere:

Meredith ist Hopes Mutter. Sie hat genaue Vorstellungen vom Leben ihrer Tochter. Für sie steht bereits fest, welchen beruflichen Werdegang Hope einmal verfolgen wird, sie bestimmt, ob Meredith ein Glas Wein trinken darf oder nicht und ist dagegen, dass das Mädchen einen Mittagsschlaf hält. Sie ist willensstark und kompromisslos und neigt zu einem besitzergreifenden, dominanten Verhalten.

Hope ist das genaue Gegenteil von ihrer Mutter. Ihr gelingt es nicht sich gegen Meredith durchzusetzen. Stattdessen zieht sich das Mädchen also immer mehr in sich zurück und wirkt auf Außenstehende schüchtern. Ihr gelingt es gut, sich den äußeren Umständen anzupassen.
Cal ist das Leben auf der Ranch gewohnt. Hier gibt es immer Arbeit. Die Tiere müssen versorgt werden, eine Reise ins benachbarte Dorf steht an. Zeit für große Emotionen bleibt da nicht. Cal ist direkt und rau in seiner Tonwahl.
Emily kommt aus guten Verhältnissen. Wörter wie Etikette, Manieren und Anstand prägen ihr Leben: Das Tragen eines Korsetts ist Pflicht, dadurch bekommt man eine gute Haltung, man schimpft und flucht nicht. Vertretern des männlichen Geschlechts ist sie bislang nur mit einer gewissen Distanz begegnet. Selbst flüchtige Berührungen ziemen sich nicht. So ist Emily auch völlig unbedarft und „hat keine Ahnung vom Leben“, wie Nate sagen würde.
Nate ist ein Halbindianer. Er lebt in einer kleinen Hütte mitten in der Wildnis von Montana. Hier fristet er sein Dasein. Als er auf Emily trifft, wird sein Alltag gehörig durcheinandergebracht. Das Mädchen ist so ganz anders als er. Sie ziert sich oft und weint ständig.

Schreibstil:

Dieses Buch gliedert sich in zwei Erzählstränge auf. Die erste Geschichte findet im Jahre 1867 statt. Hier begleitet man die junge Emily auf ihrer Reise nach San Francisco wo sie ihrem zukünftigen Ehemann das erste Mal begegnen soll. Später verfolgt man ihre Zeit unter der Obhut des Halbindianers Nate. Emily muss lernen sich mit der rauen Umgangsweise ihres Gastgebers, aber auch mit der neuen Lebensweise in der Wildnis zu arrangieren. Das fällt nicht immer leicht, wenn man plötzlich das Korsett gegen lockere Männerkleidung tauschen muss, die auch für die Nacht herhalten wird, einen Brotteig kneten darf oder tagelang auf dem Rücken eines Pferdes verbringen muss. Am meisten macht Emily jedoch die Nähe zu einem fremden Mann zu schaffen.
Die zweite Geschichte dreht sich um die schüchterne Hope, die ihre Mutter auf einer Forschungsreise nach Montana begleitet. Hope steht sehr unter dem Pantoffel ihrer Mutter. Nie durfte sie auf Reisen in einem eigenen Zimmer schlafen, sobald sie etwas sagt, wird sie von Meredith unterbrochen, die ihrer Tochter ihre Meinungen aufoktroyiert.
Lucy Inglis führt ihren Roman in einem sehr ruhigen Schreibstil. Als Leser erfährt man hier viel über das ländliche Leben und kommt der Natur gemeinsam mit den Protagonisten sehr nahe. Auch die Lebensweise der Indianer wird hier genauer beleuchtet, ebenso wie die Unterschiede der damaligen und der heutigen Zeit.
Sehr interessant wirkt die Erzählweise in der Geschichte rund um Emily. Hier hat man das Gefühl einer Erzählung zu folgen, die das Mädchen direkt an Nate richtet.
In beiden Geschichten ist der Umgangston rau und derb. Die Männer kommen vom Land. Zeit für Emotionen bleibt da nicht. Man muss auch mal eine Situation hinnehmen, wenn man sie nicht ändern kann. Gerade Hope gelingt das sehr leicht, zumal sie sich schon Zeit ihres Lebens den Meridiths Weisungen anpasst. Emily hingegen hat noch schwer damit zu kämpfen in einer für sie völlig fremden Welt Fuß zu fassen. Dennoch weisen beide Geschichten erstaunlich viele Parallelen auf, die man nach und nach als Leser für sich entdecken wird.
Die Frage, was beide Geschichten wohl miteinander zu tun haben, wird mit der Zeit umso drängender. Auch wirken beide Geschichten äußerst interessant. Lucy Inglis gelingt es den Flair der Natur und der damaligen Zeit perfekt zu vermitteln. Nie wirkt sie an einer Stelle plump oder zu rasant. Die Frage, ob beide Frauen mit den jeweiligen Männern eine Zukunft haben werden, steht ebenso im Fokus wie die schweren Bedingungen, denen gerade Emily ausgesetzt ist. Hier sind die Gefahren stets allgegenwärtig. Nur Nate verspricht mit seinen Kenntnissen und seiner fürsorglichen Art einen Schutz vor Feinden und Wildnis.

Fazit:

Mit einem ruhigen, aber dennoch sehr fesselnden Schreibstil erzählt die Autorin hier zwei Geschichten, deren Verbindung sich nach und nach dem Leser erschließt. Lucy Inglis gelingt es
dabei hervorragend, dem Leser zu vermitteln, wie Menschen auf neue Situationen reagieren.
Es gelingt ihr, den Zuschnitt der damaligen Zeit in ihre Geschichte einfließen zu lassen und dem Leser sinnlich erfahrbar zu machen. Ihre Figuren agieren dementsprechend authentisch. Entsprechend überzeugend beiläufig lässt sie Lokalkolorit des Mittleren Westens einfließen.
Die Spannung wird durch den Ablauf der Ereignisse stets aufrecht erhalten. Beide Liebesgeschichten bahnen sich zaghaft an. Gerade durch die Schüchternheit der Protagonistinnen und die derbe und zielgerichtete Art der männlichen Charaktere wirken auch diese sehr fesselnd auf den Leser.
Ein Jugendroman, der in allen Punkten vollends zu überzeugen weiß und der in jedes Bücherregal gehört. Absolute Leseempfehlung!

Buchzitate:

Was die „Lüsternheit“ betraf – darunter konnte ich mir beim besten Willen nicht viel vorstellen. Ich hatte zwar ein Lexikon, aber Mama hatte viele Worte darin ausgestrichen.

Zum ersten Mal in meinen sechzehn Jahren lebte ich ganz im Moment. Ich stand nicht länger unter dem Zwang, mich auf einen Tag vorzubereiten, der nicht kommen würde. Ich musste nichts an mir verändern oder verbessern, um anderen zu gefallen.

Hab ihr gesagt, dass du mich keinen Penny gekostet hast, nur meinen Seelenfrieden und mein Bett.

Wenn er mal stillsitzt, was selten vorkommt, beobachtet er die Welt mit Augen, die alles sehen, als bewegte sich die Zeit um ihn, und nicht er sich in der Zeit.