Rezension

Zwei starke Charaktere senden ein Leuchtfeuer

Zusammen werden wir leuchten - Lisa Williamson

Zusammen werden wir leuchten
von Lisa Williamson

Bewertet mit 5 Sternen

Authentische Charaktere, tiefe psychologische Einblicke und eine fesselnde Geschichte klären auf und räumen Vorurteile aus dem Weg.

Als David mit acht Jahren sagen soll, was er später einmal werden will, antwortet er: „ Ein Mädchen.“ Dieser Wunsch hat sich in ihm festgesetzt und wird immer größer. Nun ist er 14 und fühlt sich mit seinem männlichen Geschlecht überhaupt nicht wohl. Seine beiden besten Freunde Felix und Essie sind die einzigen, welche diesen Herzenswunsch kennen. Sie wissen auch von seiner Schwäche für den Sunnyboy der Schule. Obwohl David nette und verständnisvolle Eltern hat, scheut er das Gespräch mit ihnen. Als seine elfjährige Schwester Livvy ihre monatlichen Regelblutungen bekommt, erfassen ihn Neid und Verzweiflung. Im Buch beschreibt David seinen langen, harten Weg der Selbstfindung in der Ich-Form.

Der zweite Protagonist des Romans ist Leo. Auch er beschreibt in der Ich-Form sein Leben. Leo hat soeben die Schule gewechselt. Nun geht er in die 11. Klasse der gleichen Schule wie David. Während Davids Familie zum Mittelstand gehört und in einer ruhigen Gegend wohnt, bewohnt Leo mit seiner Familie ein marodes, kleines Haus im unsichersten, heruntergekommensten, grausten Viertel der Stadt. Leo hat noch zwei Schwestern. Mit seiner Zwillingsschwester Amber teilt er sich ein Zimmer. Auf die siebenjährige Tia muss er sehr oft aufpassen, da seine Mutter ständig unterwegs ist. Die Kinder haben verschiedene Väter. Leider findet die alleinstehende Mutter auch keinen Zugang zu einer festen Beziehung. Ihre Beziehungen wechseln genau so häufig wie ihre Jobs. Permanente Geldsorgen führen zu Unzufriedenheit und Aggressivität in der Familie. Beim Nachhilfeunterricht für Mathe kommen sich Leo und David näher. Bald wird klar, dass sie mehr Gemeinsamkeiten haben, als anfänglich vermutet. Während eines spontanen Roadtrips zu Leos leiblichem Vater, finden beide Jungen zu sich selbst. Sie gelangen zu innerer Stärke und Zufriedenheit. Mit neuem Mut treten sie ihrer Zukunft entgegen.

Der Roman ist aus zwei Perspektiven fortlaufend in der Ich-Form geschrieben. Nur wenige Szenen überschneiden sich. In diesen bekommt der Leser die Situation aus einem anderen Blickwinkel vermittelt, der ihm ein objektiveres Urteil erlaubt. Über dem jeweiligen Kapitel steht der Name des erzählenden Protagonisten. Allerdings unterscheiden sich auch die Schriftarten voneinander, so dass man keinesfalls durcheinander kommen kann.

Dieser Roman klärt sensibel, ausdrucksstark und spannend über das Thema Transgender, Transidentität bzw. Transsexualität auf. Transident ist jemand, dessen eigene Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Geschlecht seines Körpers übereinstimmt. David ist ein Junge. Damit kann er sich aber überhaupt nicht identifizieren. Als Transgender sind für ihn die gesellschaftlich aufgedrückten Rollenerwartungen ein absolutes Grauen. Warum wird von Jungs erwartet, die Haare in der Schule kurz zu tragen? Er würde so gern Haarspangen und Zopfgummis verwenden. Ganz heimlich gibt er in seinem Zimmer seiner weiblichen Seite Raum. Tür einen Transgender besteht die Möglichkeit, durch hormonelle Angleichung und operativem Eingriff, sein empfundenes Geschlecht zu erhalten. Diese Geschichte begleitet David von den ersten Überlegungen über viele emotionale Hochs und Tiefs bis zum Coming out vor seiner Familie. Auch Leos Geschichte ist unglaublich interessant und trägt zum Verständnis der sensiblen Thematik bei. Sehr authentisch werden die Reaktionen des gesamten Umfelds beider Protagonisten einer Analyse unterzogen. Der Weg zum Coming out ist nicht leicht. Neben allgemeinen Vorurteilen steht auch oft der eigene Schatten im Weg. Gerade Teenager, die mit ihrer Hormonproduktion generell noch nicht zurechtkommen, sind stark verunsichert, wenn sie sich außerhalb des üblichen Rasters bewegen. Mangelndes Selbstbewusstsein lässt sie zu introvertierten Außenseitern werden.

Das Buch ist wirklich sehr zu empfehlen und kann durchaus in der Schule ab Klasse 9 gelesen werden. Hier wird ein gesellschaftliches Tabuthema fesselnd in Szene gesetzt. Diskriminierung entsteht Großteiles nur durch Unkenntnis und Vorurteile. Der Autorin ist es gelungen, die Geschichten der beiden Jungen geschickt miteinander zu verweben. Durch authentische Schilderung und tiefe Einblicke in das Gefühlsleben findet eine umfangreiche Aufklärung statt. So kann Diskriminierung entgegen gewirkt werden.

Dieses Buch ist für Jugendliche ab 14 sehr zu empfehlen.