Rezension

Zu Besuch in Knoxville

Leichenblässe - Simon Beckett

Leichenblässe
von Simon Beckett

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

David Hunter ist bei seinem letzten Fall nur knapp mit dem Leben entkommen und die erste Frau, die er nach dem Tod seiner Frau zu lieben gelernt hat, hat ihn verlassen.
Geknickt und verwundet weiß er nicht, wie genau er beruflich weitermachen soll.
Er beschließt einen Freund in Amerika zu besuchen, der einst sein Mentor gewesen ist. Tom arbeitet in Knoxville Tennessee in der Anthropology Research Facility, die gemeinhin einfach nur die Bodyfarm genannt wird.
Außerdem wird er bei kriminaltechnischen Mordermittlungen zu Rate gezogen.
Tom ist nicht mehr der Jüngste und sein Gesundheitszustand erlaubt es ihm nicht mehr lange seinem Beruf nach zu gehen. Er bittet Hunter ihm bei seinem neusten Fall zu melden. Zum einen als Stütze und zum anderen, weil dies sein letzter Fall sein wird und er es sich nehmen lassen will noch einmal mit Hunter zusammen gearbeitet zu haben.

In einer Hütte wird eine Leiche gefunden. Die Heizung ist aufgedreht, das Gebäude ist erfüllt von Gestank und Insekten und die Leiche scheint schon seit 7 Tagen tot zu sein. Doch die Hütte ist erst seit 5 Tagen vermietet und wo kommen die ganzen Insekten bei geschlossenen Fenstern her?
Und warum weist die Leiche Merkmale des Erstickens auf, wenn doch überall Blut ist?

Sie finden Fingerabdrücke, die sie zu einem Mann führen, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Sie exhumieren die Leiche und stellen fest, dass dort jemand anders begraben ist.
Der unbekannte Verstorbene scheint auf die gleiche Weise gestorben zu sein, wie der Mann in der Hütte,nur etwa 6 Monate früher. Der Profiler, der zur Beratung hinzugezogen wird vermutet ein sexuell geartetes Motiv und verschwindet kurz darauf selber.

Nun ahnen die Ermittler, dass jeder in Gefahr sein könnte, der an der Ermittlung beteiligt ist. Der Mörder hat scheinbar schon oft gemordet und wird nicht so schnell damit aufhören...

Meine Meinung

Am Anfang war es ein wenig schwer wieder in die Geschichte hineinzufinden. Seit dem ich den letzten Band las, ist einige Zeit vergangen.
Ich konnte mich noch dunkel daran erinnern, das Hunter in Gefahr gewesen war, wie genau sich das abgespielt hatte, wusste ich jedoch nicht.
Doch nach und nach verarbeitet Hunter die Geschehnisse, teilt Erinnerungen mit uns und so ist jeder Leser informiert, ob er nun die vorhergegangenen Bände gelesen hatte oder nicht.
Dabei schafft der Autor es die Geschichte nicht mit Rückblicken zu überladen. Er erzählt nur soviel Vergangenes, wie nötig ist um wieder hineinzufinden.

Die Geschichte ist aus zwei verschiedenen Perspektiven geschrieben. Der größte Teil ist in der Ich-Perspektive geschrieben und zwar aus Hunters Sicht. Und dann gibt es noch Einschübe in einer kursiven Schrift. Diese Perspektive zu benennen fällt mir schwer. Es ist wie ein auktorialer Erzähler, der die besagte Person, also den Mörder mit „Du“ anspricht und uns nach und nach seine Geschichte erzählt.
Dies liest sich anfangs etwas ungewohnt, man merkt jedoch sehr schnell, dass diese Erzählform sehr passend gewählt wird.

Bei solchen Einschüben kann es sehr leicht passieren, dass die Spannung ein wenig gemildert wird. Hier jedoch geschieht das Gegenteil. Spannung wird aufgebaut und es wird nichts verraten, wir tappen bis zum Schluss im Dunkeln.
Wir erfahren jedoch einiges über die Entwicklung des Mörders von Jugend an, das auf sehr morbide Art ziemlich interessant ist.

Nun zur Geschichte selber. Sie läuft anfangs ein wenig stockend an, um jedoch dann stetig an Spannung zu gewinnen, bis das Lesetempo und die Spannung schließlich zu einem Rasen anschwellen, wir das Buch nicht mehr weg legen wollen und hoffen, dass alles gut ausgeht.

Immer wieder gibt es sehr überraschende Momente, die nicht vorhersehbar waren und sogar zum Schluss, als sich alles aufgelöst zu haben scheint, bäumt sich die Geschichte noch einmal zu einem überwältigenden zweiten Showdown auf.

Als die Ermittler schließlich selbst ins Kreuzfeuer des Mörders kamen, dachte ich ganz kurz: „Die haben wohl selber keine Thriller gelesen, sonst wären sie besser darauf vorbereitet gewesen“, schließlich kommt dies nur zu häufig vor. Aber letztendlich machte dies nicht wirklich etwas, denn auch altbewährtes kann gut und unterhaltend gestaltet werden und dies hat der Autor meines Erachtens nach geschafft.

Die Personen sind sehr plastisch gestaltet und einige schließen wir sehr schnell ins Herz, andere verachten wir schon nach kurzer Zeit. Doch der Mörder nimmt keine Rücksicht auf unsere Sympathien oder Antipathien, jeder kann in seine Fänge geraten.

Nun zum Protagonisten selber. David Hunter ist nicht perfekt, er hat Fehler, kann sich irren und hat hart an seiner Vergangenheit zu knabbern, was ihn angreifbar und zugleich menschlich macht. Er ist kein Übermensch, sondern einfach nur ein Mensch, der Grausames erlebt hat, das ihn nicht loslässt. Auch wenn wir sein Seelenleid sehr wohl mitbekommen, so gibt es keine übertriebene Fixierung darauf. Es ist mehr wie ein Aufblitzen, das ab und an seinen gewohnten Alltag stört, ihn jedoch nicht zum seelischen Wrack macht.
Für mich macht ihn das sympathisch. Er hat seine seelischen Narben behalten, will sich jedoch nicht von ihnen beherrschen lassen, auch wenn er manchmal dafür ein wenig Hilfe benötigt.

Fazit

Ein gelungener dritter Teil, der mich in seinen Bann geschlagen und mich manchmal atemlos zurückgelassen hat.
Die Spannung ist sehr hoch und es gibt einige überraschende Wendungen, die Geschichte war für mich zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar.
Der letzte Band der Reihe wartet schon auf mich :-)