Rezension

Zeitloses Buch

Die Tigerfrau - Téa Obreht

Die Tigerfrau
von Téa Obreht

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Tiger. Ein Mann, der ein Geheimnis hat. Grenzen, die plötzlich ein Land trennen. Und Geheimnisse, die nicht gelüftet werden können.

Natalia ist eine junge Ärztin, die sich mit ihrer Freundin aufmacht, in einem Kloster Medikamente zu verteilen. Auf dieser Reise verfährt sie, dass ihr Großvater gestorben ist.

Sie beginnt über ihn nachzudenken. Was hat ihren Großvater ausgemacht? Was ihn bewegt und was ihn glücklich gemacht?

Und dann holt die Vergangenheit die Gegenwart ein und ihre wird bewusst, dass die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt und die Zukunft belastet...

"Alles was nötig ist, um meinen Großvater zu verstehe, liegt zwischen zwei Geschichten: der von der Tigerfrau und der von dem Mann, der nicht sterben konnte."

Ganz unbedarft und ohne eine Vorstellung, was ich erwarten würde begab ich mich mit Natalia auf eine Reise, in ein Land mit Städten, die fiktiv sind, traf Menschen, die seltsam waren, und spürte ihre Vergangenheit.

Téa Obrecht hat einen vorsichtigen, leisen Schreibstil. Es gibt Sätze, die ineinander fließen und welche, die aus der Masse hervorstechen. Immer wieder sind mir solche Sätze begegnet, die mich berührt haben. Für ein Erstlingswerk ist es erschreckend eindringlich und von der ersten bis zur letzten Seite gut durchdacht.

Zuerst denke ich, ich verfolge das Leben von Natalia mit ihrem Großvater, aber später geht es um so viel mehr. Um Grenzen, die Natalia selbst überwinden muss, weil es sie früher nicht gab und weil sie die Erinnerung an ihren Großvater verarbeiten muss.

Dann plötzlich geht es um einen Tiger und die Vergangenheit ihres Großvaters. Was hat ihn zu dem treuen Menschen gemacht, der er war? In zwei fast fantastischen Geschichten bekommen wir einen Einblick, was den Menschen verändert und zu dem macht, was er am Ende seines Lebens ist.

Die Städte sind fiktiv, man kann sie nicht googeln oder nachschlagen. Es ist sicher in der Geschichte vieler Länder passiert, dass es plötzlich eine Grenze gab. Trotzdem hat man das Gefühl, es passiert jetzt und ist so realistisch wie vieles andere in diesem Buch auch: Gefühle, Handlungen und Leben.

Die Mischung zwischen Fiktion und Faktizität, die es hier gibt, entwickelt den Sog dieser Geschichte, das Gefühl weiterlesen zu müssen, um zu erkennen, was Wahrheit ist und was Lüge, was möglich ist und was nicht.

Vier Sterne und eine Empfehlung für alle, die Lust haben ein gutes Buch zu lesen, das Zeit braucht.