Rezension

Wissenswertes, Berührendes und die Kraft des Glaubens

In der Remise -

In der Remise
von Rüdiger Marmulla

Bewertet mit 5 Sternen

Thematisch vielseitig, teils wissenserweiternd, teils berührend

„In der Remise“ ist ein Sammelband, der einige Geschichten bzw. Novellen von Rüdiger Marmulla vereinigt, die zwar verschiedenste Themen ansprechen, aber alle eines gemeinsam haben: sie berühren. Denn seine kleinen Geschichten haben eine ganz eigene Ausstrahlung. Er hat einen extrem minimalistischen Schreibstil. Es sind manchmal nur kurze Gedanken, Beobachtungen, Erkenntnisse. Stets gelingt es ihm, Gefühle hautnah zu vermitteln, das Kopfkino anzukurbeln. Und meist stehen der Glaube und das Gottvertrauen im Mittelpunkt.

„Der Abenteuergarten“ und „In der Remise“ enthalten Texte aus der Schreibwerkstatt, Kurzgeschichten aus der Kindheit des Autors, seiner Jugend, aus seinem Leben. Er schildert in einfachen Sätzen und mit schlichten Worten Situationen, wie sie früher waren. Man erfährt viel über den Autor, von seinen Träumen, Sehnsüchten, seiner Liebe zu seiner Familie, deren Zusammenhalt, seinen Glauben. Es sind Geschichten mit sehr viel Liebe und Herzenswärme zwischen den Zeilen. Manches liest sich auch tröstend, manches ist zum Schmunzeln. Es sind keine weltbewegenden Dinge, die da erzählt werden, sondern einfach der Alltag – Enttäuschungen, erste Verliebtheit, familiäre Wärme, glückliche Momente, Missgeschicke. Berührend. Beglückend. Frieden ausstrahlend. Und letztlich gewinnt man daraus auch für einen selbst die Erkenntnis, dass die eigenen Erlebnisse, und seien sie noch so banal, es wert sind, festgehalten zu werden. Denn sie machen den Menschen aus, sie prägen das eigene Leben.

In „Die Anatomie des Blumenkörbchens“ gelingt es dem Autor nicht nur in Interesse weckender Weise für einen Laien verständliches Anatomiewissen darzubieten, sondern dieses harmonisch mit der ebenso romantischen wie letztlich tragischen Geschichte einer ersten Liebe zu verbinden. Man spürt das junge Glück, diese unbändige Verliebtheit ebenso wie den Wissensdurst des jungen Medizinstudenten, ein wenig kriecht Gänsehaut hoch, wenn man sich bildlich vorzustellen versucht, wie dieses Sezieren vor sich geht, und wird schließlich mit voller Wucht in die Dramatik des tragischen Schicksals gesogen. Berührend, wunderschön und todtraurig zugleich.

In „Das Himmelsschiff auf Orientfahrt“ verbindet der Autor die historisch belegte Fahrt des Zeppelin LZ 127 vom April 1931 mit einem fiktiven Zusammentreffen von vier Männern, die verschiedenen Glaubensrichtungen angehören - einem Christen, einem Muslim, einem Juden und einem Atheisten. Im Rahmen dieser Gespräche wird aus Sicht jedes Einzelnen die Geschichte des jüdischen Glaubens dargestellt, auf Gemeinsamkeiten mit den anderen Weltreligionen hingewiesen, die Bedeutung Jerusalems für alle hervorgehoben, die wechselhafte, oft blutige Geschichte dieser Stadt erzählt und man erfährt, dass es Zeiten gab, wo in dieser Stadt Menschen aller Religionen friedlich nebeneinander lebten.
Abgesehen von der theologischen Thematik ist die Route, auch anhand von Skizzen, anschaulich beschrieben, die Eindrücke der Passagiere und Erlebnisse während der Fahrt.
In Anbetracht der aktuellen kriegerischen Ereignisse im Nahen Osten vermittelt diese Novelle viel historisches Wissen über die Ursachen der Konflikte, die weit in der Vergangenheit ihren Ursprung haben.

„In der Remise“ ist ein Buch für besondere Lesemomente. Es bietet Wissenswertes und Gefühlvolles. Es ist ein Buch, das man gar nicht in einem Zug verschlingen, sondern dessen Geschichten man auf sich einwirken lassen sollte. Es bietet die Möglichkeit, ein wenig in einer Atmosphäre von Ruhe und Beschaulichkeit zu versinken, emotional und nachdenklich.