Rezension

Wege des Schicksals

Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf - Heike Wolf

Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf
von Heike Wolf

Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf Die Schönaus 1935-1957 der 2. und abschließende Band von Heike Wolf

Eigentlich wollten Lotte, Richard und Co. glücklich und in Freiheit zusammen leben, doch die Geshichte hatte etwas anderes mit ihnen vor. Sie wurden, wie viele Menschen ihrer Zeit, zur Willkür der Macht und deren Systeme, derer sie entsprungen sind.

Nachdem ich die letzen Zeilen von "Bürgerin aller Zeiten" gelesen hatte, überfiel mich die Wehmut und die Sehnsucht nach dem Fortgang der bewegenden Familiengeschichte der Schönaus. Unbedingt wollte ich teilhaben an den Schicksalen jeder einzelnen Figur. Schwere entbehrungs-und verlustreiche Jahre liegen vor den Familienmitgliedern und ihren lieben Freunden. Dorchen, Lotte und Heinrich sind erwachsen geworden und mit ihnen ihre Ansichten vom Leben. In einer Zeit, die vor dem Würgegriff der Nazidiktatur steht, entwickeln sich unterschiedliche Standpunkte innerhalb aller Lieben. Wie jeder von ihnen diese Epoche bis 1957 erlebt, schildert Heike Wolf in stimmungsvollen, facettenreichen, oft traurigen Bildern. Realistisch fängt sie diese Zeiten von Krieg, Frieden, Trennung und Zusammenfinden ein. Dank glänzendem historischen Hintergrundwissen und einer exzellenten Recherche lesen sich die geschichtlichen Gegebenheiten leicht und verständlich. Eingebaut in Dialoge und passende Textpassagen befindet sich das Gelesene im Fluss und vermittelt wichtiges Wissen auf eine angeneme Art. Anhand von Briefwechseln zwischen Front und Heimat erscheint ein umfassendes Bild der damaligen Lage. Dieses Mittel nutzt die Autorin gekonnt und umgeht damit zu eindrückliche brutale Schilderungen. Ein emotionsgeladen behafteter Text ergibt sich aus der Besimmung der unterschiedlich denkenden Charaktere und deren teils schonungslosen Ansichten sowie den geschichtlichen teils grausamen Gegebenheiten. Jeder findet seinen Platz in Heike Wolfs Geschichte. Diejenigen, die nicht ins System passen, der Jude, den es zu verfolgen gilt, Flüchtlinge und Einquartierte mit ihren traumatischen Erlebnissen, Verhaftete, Kriegsgefangene bis hin zu den Nazi-Strafverfolgten, dem aufstrebenden zukünftigen DDR-Beführwortern und Gegnern.

Die fortlaufende Geschichte wird durch kurze Episoden aus dem Jahr 1989 unterbrochen. An einem vielerlei geschichtsträchtigem Datum, dem 9. November 1989, Lottes achzigsten Geburtstag endet der Blick auf eine Familie und ihren aufwühlende Weg durch prüfungsreiche und bewegende Zeiten und deren fatale Folgen.

Fazit: Mit ihren beiden Büchern "Bürgerin aller Zeiten" und "Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf" erschließt sich ein eindrückliches Panorama von 1913-1957. Unheimlich emotional und bewegend lesen sich die Zeilen rund um die Figuren der Schönaus aus Leipzig, die so auch aus der eigenen Familie stammen könnten. Fast jeder findet darin eine geflüchtete Tante von einem verlorenem Gut, einen an der Front gefallenen Onkel, einen noch immer vermisster Bruder, einen von den Russen verschleppten Großvater...

Jeder hätte wohl etwas zu erzählen und doch schweigen so viele in Anbetracht der schlimmen Erlebnisse. Darum sind diese beiden Romane aus der Feder von Heike Wolf so wertvoll, weil sie genau das erzählen, was niemals vergessen werden sollte und vergessen werden darf! Neben diesem Fakt beinhalten beide Roman zusammen eine bemerkenswerte Geschichte, die mich aufgewühlt hat und die mir gedankenschwere Lesestunden bereitet hat.