Rezension

"Was bei der Jugend wie Grausamkeit aussieht, ist meistens Ehrlichkeit." (Jean Cocteau)

Der Sommer mit Pauline - Ivan Calbérac

Der Sommer mit Pauline
von Ivan Calbérac

Bewertet mit 4 Sternen

Émile ist ein Teenager und gerade in der Phase, wo ihm alles auf den Geist geht und seine Eltern ihm absolut gegen den Strich gehen. Am liebsten würde er sich ein paar neue kaufen. Ausgerechnet jetzt lädt ihn das Mädchen zu einem Konzert nach Venedig an, in das er heimlich und ganz unsterblich verliebt ist: Pauline. Seine Gedanken kreisen nur noch um sie, das Mädchen aus betuchtem Hause, mit der er über Gott und die Welt reden kann, die ihn ernst nimmt und die er unbedingt für sich gewinnen will. Die Einladung nach Venedig ist für Émile ein Zeichen. Aber er hat die Rechnung ohne seine Familie gemacht, die ihn natürlich alle mit dem Wohnwagen begleiten wollen. Das treibt Émile nicht nur die Schweißperlen auf die Stirn, auch sein Magen krampft, denn was wird Pauline von seiner Familie halten, die Welten von der ihrer eigenen entfernt ist und für die er sich schämt. Die Reise nach Venedig wird zu einer Nervenprobe für alle Beteiligten…

Ivan Calbérac hat mit seinem Buch „Der Sommer mit Pauline“ einen sehr unterhaltsamen und launigen Roman vorgelegt, der dem Leser kurzweilige Lesestunden beschert und ihn zurückbeamt in die eigene Jugend mit ähnlichen Erfahrungen. Der Schreibstil ist locker und flüssig, schnell findet man sich an der Seite Émiles wieder, der sein Dasein als Teenager fristet und von seiner eigenen Familie gefrustet ist. Für seine Eltern schämt er sich, der Gedanke, dass Pauline diese einmal so erleben könnte, wie es bei ihnen Alltag ist, treibt ihn in die Verzweiflung. Der Autor versteht es wunderbar, den Leser durch Émiles Augen blicken zu lassen, der ganze Frust und die alltäglichen Aufreger eines Jugendlichen kommen sehr gut rüber und lassen Erinnerungen aufleben, die man damals selbst eventuell auch einmal gehegt hat mit dem eigenen Elternpaar, und die man als Elternteil auch bei den eigenen Kindern in dieser Lebensphase feststellen konnte. Die typischen Streitpunkte, die Rebellion der Jugend werden hier sehr schön transportiert. Die Reise nach Venedig selbst ist mehr Drama und Schicksalsweg, von allem etwas zu viel, was teilweise Kopfschütteln verursacht. Aber darüber kann man als Leser hinwegsehen, sind es doch die zwischenmenschlichen Beziehungstöne und der Umgang miteinander, der viel spannender ist und nostalgische Gedanken fördert.

Die Charaktere sind wunderbar mit Leben versehen, mit ihren individuellen Ecken und Kanten wirken sie durchweg glaubhaft und authentisch. Als Leser fühlt man sich unter ihnen sofort wohl und kann sich gut in sie hineinversetzen. Émile ist noch halb Kind, aber auch schon halb Erwachsener, dieser Wandel zwischen zwei völlig verschiedenen Welten lässt ihn zum Rebellen werden, der an allem und jedem etwas zu meckern hat, die Familie kann es ihm in dieser Lebensphase kaum recht machen. Er ist gern für sich, aber noch lieber mit Pauline. Das erste Mal hat ihn Amors Pfeil erwischt, jagt ihm Angst ein, aber gibt ihm auch Hoffnung, denn die Auserkorene hat ihn bemerkt. Wenn er doch nur der Prinz auf dem weißen Pferd wäre. Sein Vater ist ein Aufschneider und die Mutter fürsorglich, aber bequem. Pauline ist ein wohlerzogenes Mädchen aus gutem Hause, die mit Émile einige Interessen teilt und ihn als Freund sieht.

„Der Sommer mit Pauline“ ist ein unterhaltsamer Roman über Träume und einen Teenager, der seine rebellische Phase hat. Wunderbar dargestellt und mit dem nötigen Witz versehen eine schöne Lektüre, die eine Leseempfehlung verdient.