Rezension

Vox ist nicht Amerika der Männer

Vox - Christina Dalcher

Vox
von Christina Dalcher

Bewertet mit 2.5 Sternen

Diese Lektüre schien alle Voraussetzungen für mein Lieblingsbuch zu erfüllen. Die Autorin ist Linguistin und das Buch sollte vom Verbot für Frauen, ihre Stimme zu benutzen, erzählen. Das neue konservative Amerika (USA) hat ein Gesetz erlassen, dass es Frauen nur noch erlaubt, 100 Wörter am Tag zu benutzen. Außerdem dürfen sie keinen Beruf mehr ausüben und sollen sich voll und ganz den drei großen Ks (Kinder, Küche und Kirche) widmen.
Jean kann sich kaum an diese neue Situation gewöhnen, ihr ältester Sohn und ihr Mann sind ihr völlig fremd geworden. Schon bald aber wendet sich das Blatt, da die Regierung Hilfe von der ehemaligen Wissenschaftlerin benötigt. Der Bruder des Präsidenten leidet unter Sprachverlust, zufällig Jeans Forschungsgebiet! Man entfernt ihr das Elektroschockarmband mit dem die Wörter gezählt werden und sie darf zurück ins Labor, um mit ihrem Kollegen, mit dem sie eine Affäre hat, ein Serum zu entwickeln, die diese Aphasie rückgängig macht.
Dieser Kollege, Italiener, bietet Jean an, aus den USA zu fliehen und mit ihm ein neues Leben in Italien (Jeans Eltern leben in Italien) zu beginnen. Jean ist natürlich von ihm schwanger, aber sie möchte auch ihre 4 Kinder nicht im Stich lassen.... eine Entscheidungshilfe soll eine Geschlechtsbestimmung ihrer Leibesfrucht sein (wenns ein Mädchen wird, will sie gehen ). Dann stellt sich noch heraus, dass ihr Ehemann auch nicht der ist, für den sie ihn gehalten hat, und der Postbote auch nicht, und der Aufpasser im Labor, der immer lautlos auftaucht, auch nicht.... und überhaupt, ist die ganze Story nicht das, wofür ich sie gehalten habe.

Christina Dalcher hat mich mit wunderschönen Sprachbildern ("sie öffnete die Hand wie einen Seestern") und Details aus ihrem Fachgebiet (Linguistik) gelockt und begeistert, mich dann aber mit einem unnötigen Beziehungschaos, übermäßigen Zufällen (ihre Mutter in Italien hat auch plötzlich ihre Stimme verloren) und einem konfusen Schluss sehr enttäuscht.

Die eigentlichen politischen Statements, was passiert, wenn alle Frauen plötzlich nicht mehr reden und arbeiten dürfen, wurden nur peripher erwähnt. Dafür wurden aber die Strafen bei Ungehorsam umso ausführlicher beschrieben und dabei unverzeihlicherweise die Black Hills kuzerhand nach Nort Dakota verschoben.

Ein wichtiges Thema, Verlust der Sprache, wurde hier etwas unglücklich auf wenige effekthaschende und zu kurz fassende Szenen reduziert. Schade, ich hatte große Hoffnungen für dieses Buch und soetwas wie einen würdigen Nachfolger für "Amerika der Männer" von Suzette Haden Elgin erwartet. Na, man kann nicht alles im Leben haben, aber wenigstens durfte ich darüber reden!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. Juni 2019 um 22:17

Haha, ich lache schon mal vorher über die Punkte. Jetzt les ich. Vllt lache ich dann noch mal.

wandagreen kommentierte am 29. Juni 2019 um 22:22

Durftest du. Dieser Roman lehrt, dass eine gute Idee allein nicht reicht. Ein sehr schlechter Plot und viele Klischees abarbeiten, ich hatte den Eindruck, dass die Autorin einfach nur Matsche im Kopf hatte und ihr nichts Gescheites einfiel. Vllt hätte sie ihre Idee einem anderen Autoren verkaufen oder schenken sollen. Kann auch sein, ihre Klimaanlage fiel aus.

Emswashed kommentierte am 29. Juni 2019 um 22:30

Gute Idee! Die Frau braucht einen Ghostwriter und ein gutes Lektorat. Ich hoffe einfach mal, das sie als Linguistin besser ist! ;-)

Paperboat kommentierte am 08. Februar 2020 um 00:45

Schade, dass das Buch deine Erwartungen nicht erfüllt hat. Eine Kollegin von mir hats gelesen und fand es sehr gut. Jetzt bin ich zwiegespalten!

Emswashed kommentierte am 08. Februar 2020 um 08:01

Oh nein, leih es Dir und lies es. Ich habe die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen, hab halt nur andere Einstiegsdrogen gehabt.