Rezension

Von Knusperhäuschen und Dämonen

So finster, so kalt - Diana Menschig

So finster, so kalt
von Diana Menschig

Bewertet mit 4 Sternen

Merle Hänssler arbeitet als Rechtsanwältin in Hamburg. Seit Tagen schläft sie schlecht und träumt ständig von einem Wolf, der sie verfolgt. Kurz darauf erhält sie einen Anruf von einem Freund aus Kindertagen: Ihre Oma Mago ist gestorben. Merle reist zur Beerdigung in ihr Heimatdorf in den Schwarzwald. Im abgelegenen Haus ihrer Oma findet sie Dokumente über einen gewissen Hans vom Wald, der Ende des 16. Jahrhunderts scheinbar in diesem Haus gelebt hat und von einem Dämon besessen war. Ist Hans tatsächlich Merles Vorfahre? Und wie viel von dieser scheinbar unglaublichen Geschichte ist wahr? Merle beginnt zu recherchieren. Als es in der Gegenwart zu dramatischen Ereignissen kommt, muss sie sich fragen, in welchem Zusammenhang diese zu ihrer Recherche stehen…

Der Einstieg in das Buch ist ungewöhnlich: Zunächst ist die erste Strophe des Liedes um Hänsel und Gretel abgedruckt, es folgt ein Rezept für finsterkalte Lebkuchenmännlein und schließlich beginnt der Prolog mit den Worten „Die Hexe ist tot!“. Dies alles machte mich extrem neugierig auf die Geschichte. Schnell stellt sich aber heraus, dass die „Hexe“ Mago vielmehr eine märchenbegeisterte, nette Person war. Deren Enkeltochter Merle ist die Protagonistin des Buches. Aktuell wird sie von Albträumen geplagt und ist mit sich selbst nicht mehr im Reinen. Ich konnte ihre Selbstzweifel nachvollziehen und war gespannt darauf, in welche Richtung sie sich während des Buches entwickeln wird.

Die erste Hälfte des Buches ist eher ruhig. Merle fährt in den Schwarzwald zur Beerdigung ihrer Oma und findet deren Recherchearbeiten über Hans vom Wald. Dem möchte sie genauer nachgehen und lernt darüber den Germanisten Jakob kennen. Außerdem erfährt der Leser in Rückblicken mehr über die unheimliche Geschichte von Hans und Greta. So erhielt man einen guten Überblick, wobei noch nicht ganz klar war, in welche Richtung sich die Geschichte im weiteren Verlauf entwickeln wird.

Während ich Merles Handeln und Denken von Beginn an nachvollziehen konnte, bleibt Jakob ein undurchschaubarer Charakter. Als Leser stolpert man gleich über seinen Nachnamen Wolff – soll dieser ein Hinweis sein? Hat Merle nicht ständig Albträume von einem Wolf? Und warum ist Jakob eigentlich in Hamburg und benimmt sich so, als verberge er etwas? Über Jakobs Motive kann man lange Zeit nur rätseln, wodurch mein Interesse an seiner Person und der Beziehung zwischen ihm und Merle aufrechterhalten wurde.

Die Geschichte spielt vorwiegend in der Gegenwart und wird von fünf längeren Rückblicken in die Vergangenheit zu den Erlebnissen von Hans unterbrochen. Der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist immer recht abrupt, es gibt keine richtigen Übergänge und man hätte die Rückblicke noch besser ins Gesamtgeschehen integrieren können. Die Geschichte von Hans vom Wald war ziemlich mysteriös und unglaublich, und nach und nach wird auch klar, was die Geschichte überhaupt mit der Gegenwart zu tun hat.

In der zweiten Hälfte nimmt die Spannung schließlich zu, denn in der Gegenwart kommt es zu bedrohlichen Ereignissen, Kinder sind verschwunden. Nicht ganz nachvollziehbar fand ich, dass Merle trotz dieser Entwicklung verhältnismäßig gelassen bleibt. Hier hätte man die Spannung noch greifbarer machen können. Als sich die Ereignisse überschlagen und es um Leben und Tod geht, ist die Spannung dann aber auch ganz bei mir angekommen. Die Vorkommnisse sind dabei höchst mysteriös und werden auch am Schluss nicht gänzlich aufgeklärt, hier muss der Leser seine Fantasie spielen lassen.

„So finster, so kalt“ enthält nicht nur eine Neuinterpretation von Hänsel und Gretel, in der die Rollen von Gut und Böse vertauscht sind, sondern auch eine Rahmenhandlung, die zum Weiterlesen motivierte. Die Protagonistin Merle fand ich sehr sympathisch, und nach einem ruhigen Einstieg steigt die Spannung kontinuierlich an. Erwachsenen Fans von Märchen und Mystery kann ich dieses Buch empfehlen!