Rezension

Vom Untertauchen, Verschweigen und von besonderen Frauenbeziehungen

Wie Inseln im Licht
von Franziska Gänsler

Bewertet mit 5 Sternen

Zoey Weiß ist aus Berlin an die Atlantikküste gereist, um die Asche ihrer Mutter an der Stelle ins Meer zu streuen, an der Anna mit ihren Töchtern  20 Jahre zuvor im Bauwagen auf einem Campingplatz lebte. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass sie ihre ungewöhnliche Kindheit verloren hat, auch wenn sie damals mit 7 Jahren aus der Abgeschiedenheit herausdrängte. Seit ihre jüngere Schwester Oda als 5-Jährige verschwand, hat Zoey der Gedanke nicht mehr losgelassen, sie könnte Odas Hand losgelassen und damit ihren Tod verschuldet haben. Aber warum würde eine Mutter mit der überlebenden Tochter nach Deutschland zurückkehren, wenn sie nicht absolut sicher wäre, dass Oda nicht zu ihnen zurückkehrt?  Tatkräftig unterstützt von Zoeys Ex-Partnerin Ari wird die Feuerbestattung in Frankreich organisiert. Es ist die Beisetzung „der Mutter“, wie die Hinterbliebene sie – für mich befremdlich – distanziert nennt. Zoey wirkt in Frankreich entwurzelt, weil sie allein trauert und offenbar Menschen vermisst, die sie oder ihre Mutter kannten. Von ihrem Vater kann sie aus der Ferne keinen Zuspruch erwarten; er wird jede Erwartung an ihn als Zumutung werten. U. a. durch die Begegnung mit der jugendlichen Kitty, die in der Gegenwart auch im Bauwagen lebt, wird Zoey bewusst, wie stark ihre Isolation als Kind und später die Pflege ihrer Mutter sie von anderen Menschen isoliert haben. Überraschend eröffnet sich ihr jedoch ein Weg, mehr über die Ereignisse zu erfahren, an die sie sich nicht mehr vollständig erinnert.

So suggestiv wie plausibel fächert Franziska Gänsler die Emotionen auf, die Zoey während der vergangenen 20 Jahre beim Gedanken an ihre Schwester durchlebte. Mit Ari, der Hotelangestellten Marlène, Kitty und deren Großmutter stellt sie ihrer vereinsamten Protagonistin Frauenfiguren an die Seite, die mit liebenswürdiger Selbstverständlichkeit für sie da sind, wenn sie gebraucht werden. Konzentriert auf wenige Tage bis zur Kremierung begegnet Zoey der Landschaft ihrer Kindheit und setzt sich damit auseinander, warum damals nicht nur Anna sich an ein entlegenes Fleckchen am Meer zurückzog. „Wie Inseln im Licht“ wartet mit einer verblüffenden Lösung auf und konnte mich besonders durch die Frauenbeziehungen  berühren.