Rezension

Vom harten Schicksal, ein chinesisches Mädchen zu sein

Wolkentöchter - Xinran

Wolkentöchter
von Xinran

Bewertet mit 4 Sternen

Xinran ist eine chinesische Journalistin, die in den 80er und 90er Jahren in Nanjing als Moderatorin eines Radiosenders arbeitete. Im Zuge diverser Recherchereisen hat sie zahlreiche Menschen verschiedenster Gesellschaftsschichten befragt. Sie hat auch schon mehrere Bücher geschrieben, die sich mit kritischen Themen zu Chinas Gesellschaft, Kultur, Traditionen und deren Auswirkungen beschäftigen. Inzwischen ist sie nach Amerika ausgewandert.
In diesem Buch untersucht sie die Gründe, die chinesische Frauen dazu bewegen, ihre Kinder, hauptsächlich Mädchen, zur Adoption freizugeben. Seit 1993 wurden mehr als 120.000 chinesische Mädchen in 27 Länder der Welt adoptiert.

Hier liest man wirklich Erschreckendes über das Schicksal unterschiedlichster Frauen. Zum Beispiel die Geschichte der Hebamme, die gezwungen war, massenweise weibliche Neugeborene „zu erledigen“. Das ist unglaublich, aber wohl gerade in ländlichen Gegenden Chinas eine gängige Praxis, wo sich die Landzuteilung an bäuerliche Familien nach der Anzahl ihrer Mitglieder richtet und Mädchen nicht mitgerechnet werden, weil sie nach der Heirat den elterlichen Hof verlassen. Land gibt es nur für Söhne. Außerdem schreibt die Tradition vor, dass man idealerweise einen erstgeborenen Sohn hat, der die Flamme am Schrein der Ahnen hütet, wenn sie erlischt, stirbt die Familie aus. Dazu muss das erste Kind ein Junge sein und wenn das nicht funktioniert, dann muss man eben nachhelfen. Es gilt das Gesicht zu wahren. Oberstes Gebot ist das Ansehen der Familie, zu dem Mädchen nichts beitragen können. 
Die Geburt einer Tochter ist für die meisten Familien in China eine Katastrophe. Deshalb werden Babys entweder direkt getötet oder ausgesetzt. Wenn sie Glück haben, landen sie in einem Waisenhaus und werden adoptiert. Dazu müssen sie allerdings die Zustände im Waisenhaus überleben, die auch haarsträubend sind, wie hier Bertreuerinnen berichten.

Die 1979 eingeführte Ein-Kind-Regel verschärft die Situation noch einmal. Wenn man nur ein Kind haben darf, haben Mädchen gar keine Chance mehr. Selbst bei der aufgeklärteren städtischen Bevölkerung sind Söhne eher erwünscht. Es gibt tatsächlich sogenannte Zusatzkindpartisanen, die mehrere Kinder haben möchten und von Ort zu Ort ziehen, damit sie nicht gefasst werden. Oder es gibt Eltern, die so lange den Wohnort wechseln, bis sie einen Sohn bekommen haben. Die vorher geborenen Töchter werden dann am Bahnhof ausgesetzt.

Solche Zustände sind eine Tragödie für die Kinder, aber auch für die Eltern, die die Umstände zu grauenhaften Taten zwingen, die sie ein Leben lang verfolgen. Xinran hat dieses Buch für ins Ausland adoptierte Chinesinnen geschrieben, damit sie besser verstehen können, woher sie kommen und warum ihre Mütter sie nicht haben wollten. Es ist ein erschütternder Bericht über ein Land, dass sich zwischen Politik, Reformen und Traditionen verfangen hat.