Rezension

Vier Jahreszeiten - vier Schicksale

Jahreszeiten -

Jahreszeiten
von Fiona Williams

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Leben der Hembrys ist aus den Fugen geraten. Die Eltern Richard und Tess sehen beide schlecht aus und sprechen nur das Nötigste miteinander. Tess stammt aus einer Londoner Familie jamaikanischer Herkunft; noch immer kann ihre Mutter nicht verstehen, wie eine Architekturstudentin ihr Studium hinwerfen konnte, um einem Mann in ein Dorf im Marschland zu folgen. Dieser Mann ist Richard, der sich offenbar mit seinen Eltern überworfen hat und eine Existenz als Gemüsebauer und Biokisten-Lieferant versucht. Wenn die Eltern nicht miteinander sprechen, gibt es für Kinder kaum etwas heimlich mitzuhören, so dass der 10-jährige Max, einer der Zwillingssöhne, nur  rätseln kann, welche Probleme seine Eltern belasten. Deutlich wird schnell, dass Richard allein mit seiner beruflichen Selbstständigkeit nicht klarkommen wird, Tess verborgene Talente auf Ausbruch drängen – und dass die Hembrys zwei höchst unterschiedliche Söhne haben, von denen mindestens einer betörende Naturbeobachtungen mitteilt.

Tess hasst dieses Dorf, in dem noch immer rassistische Sprüche fallen, obwohl nicht zu übersehen ist, dass hier eine Frau jamaikanischer Herkunft lebt. Warum wird sie eigentlich in die Schule bestellt wegen Max schlechter Konzentrationsfähigkeit, wenn es doch Richards alte Schule ist und er hier jeden kennt? Muss sie sich wirklich um alles kümmern? Als Tess ihre Mutter in London besuchen fährt, ist zu befürchten, dass sie Richard verlassen will, um in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Doch dort wartet nicht die einzige Überraschung auf Tess, mit denen die Autorin mich verblüffen konnte.  Neben Problemen eines entlegenen Dorfs mit alternder Bevölkerung geht es um Richards mittelmäßiges Talent als Existenzgründer, Tess‘ Kulturschock und die Qual, stets die einzig anwesende dunkelhäutige Person zu sein.

Das „House of Broken Bricks“ im Originaltitel bezieht sich auf Häuser aus misslungenen/gebrauchten Backsteinen (wie  Hembrys und Marges Haus), die nicht weniger stabil sind als die aus perfekten Steinen. Du bist wie diese Häuser, sagt Nachbarin Marge zu Tess.

Die Geschichte von Tess, Richard, Max und Sonny wird von mehreren Erzählerstimmen vermittelt. Tess und Max treten als Icherzähler:innen auf, über Richard hören Fiona Williams‘ Leser:innen leider nur aus der Erzählperspektive, so dass der Vater seine Geheimnisse lange für sich behalten kann. Ein berührender Roman mit verblüffendem Twist, dem man Zeit lassen sollte, sich zu entfalten.