Rezension

Viel Familiengeheimnis - wenig Versandhandel

Die Dame vom Versandhandel
von Ulrike Wolff

Bewertet mit 3 Sternen

** Kurt wusste genau, dass sein großer Bruder ihm etwas vormachte. Er und Fritz wollten ihn nur aus dem Weg haben, das war alles! So wie sonst auch, wenn sie etwas vorhatten, was keiner wissen sollte, und ihm einfach verboten mitzukommen. **

Titel und Klappentext führen einen leider in die Irre und suggerieren eine Geschichte über die Anfangsjahre des Versandhandels, doch in erster Linie steht ein Familiengeheimnis im Vordergrund und der Versandhandel meist weit im Hintergrund. 

Nach den ersten rückblickenden Kapiteln von Kurts Kindheit in Polen und der Flucht nach Magdeburg, habe ich noch gehofft, die Story hat einfach nur eine lange Anlaufzeit. Doch schon bald wurde klar, worum es eigentlich geht - und das konnte mich weder überzeugen noch fesseln. Diese Familiengeschichte war recht langatmig, arg konstruiert und man wusste ziemlich schnell, worauf es hinausläuft - was die Sache aber weder besser noch spannender gemacht hat. 

Wirklich gut gefallen haben mir dagegen, die Szenen in denen es tatsächlich um den Versandhandel ging. Das Autorenduo fängt den Zeitgeist der 50/60iger Jahre sehr gekonnt ein. Nicht nur im Sittenbild, sondern man wird zurückversetzt in eine Zeit, in der die Versandhäuser boomten, neue Wege ausprobierten und Grenzen austesteten. Es gibt tolle kleine Einblicke, Werbeslogans, die einem so oder ähnlich noch in den Ohren klingen und auch einige bekannte Namen und Größen der Zeit. Das hat einen hohen Unterhaltungswert und hätte ich vom Titel her als Haupthandlung erwartet. 

Die Charaktere sind Kinder ihrer Zeit, dennoch blieben sie, bis auf Annie, insgesamt recht blass - wobei die Autoren es dennoch geschafft haben, Annie als starke Persönlichkeit rüberzubringen. Doch obwohl ich ihre Gedanken in Sachen Ehe, Beruf usw. absolut nachvollziehen konnte, so richtig warm wurde ich mit ihr nicht. 

Insgesamt bin ich von dem Roman etwas enttäuscht, weil ich mir mehr darunter versprochen hatte und das Titelthema von einem unglaubwürdigen Familienkonstrukt völlig überlagert wurde. Schade.