Rezension

Ungewöhnlicher und zauberhafter serbischer Roman

Die Villa am Rande der Zeit - Goran Petrovic

Die Villa am Rande der Zeit
von Goran Petrovic

Bewertet mit 4 Sternen

Ein sprachliches Juwel mit einer ganz besonderen Stimmung, das viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte!

Goran Petrović legt mit diesem Roman eine Geschichte zu einem meiner Lieblingsthemen vor, Büchern, in denen sich alles oder fast alles um die Welt der Bücher, Literatur, Worte und Poesie dreht und die Liebe zum geschriebenen Wort, den besonderen Zauber, das einzigartige Flair, welches Bücher erschaffen können. Also ließ mich das Sujet zu ließ dem Buch greifen, denn ich hatte zuvor noch nie von diesem Autoren gehört. Nach der Lektüre nun weiß ich, dass Goran Petrović zu unrecht bei uns so unbekannt ist. In Serbien, seinem Heimatland, ist er ein literarischer Star, der schon zahlreiche Preise bekam.

Nun zur Geschichte:

Hauptfigur ist der Belgrader Student Adam, der neben seinem Studium als Journalist für ein Heimatmagazin arbeitet. Eines Tages bekommt er einen merkwürdigen Auftrag: er soll ein Buch umschreiben. In dem Buch geht es eigentlich nur um die Beschreibung einer besonderen, großen Villa, sowie den sie umgebenden Garten und die Landschaft drumherum. Adam wundert sich, wer wohl ein solches Buch lesen wollen würde, so ganz ohne Handlung, nur mit Beschreibungen der Umgebung und des Hauses. Doch dann geschieht etwas merkwürdiges... er findet sich plötzlich mitten in dem traumhaften, weitläufigen Garten wieder und kann auch das Haus besuchen und alle Zimmer erkunden. Auch merkt er, dass er nicht alleine in dem Buch ist. Er begegnet einer alten, tauben Köchin, die fürderhin für sein leibliches Wohl während seiner Aufenthalte sorgt, einem merkwürdigen Professor, der den Glaspavillon im Garten bewohnt, einer Familie, die vor ihren eigenen Schatten auf der Flucht zu sein scheint und auch mürrischen Charakteren, zum Beispiel dem Gärtner.

So macht er sich daran, an der Villa und dem Garten Veränderungen vorzunehmen, während er in der richtigen Welt weiterhin seinen normalen Alltagspflichten gerecht wird.

Es ist also nicht wie in so manchem anderen Buch dieses Genres, in dem der Protagonist komplett in der Buch-Welt verschwindet, sondern Adam kann zwischen beiden Welten wechseln.

Diese Verschmelzung der Welt im Roman und der äußeren Welt ist sehr gut gelungen und sorgt dafür, dass die Spannung erhalten bleibt. Denn mal ist es in der richtigen Welt spannender, mal in der Buchwelt und die Verflechtung der Lebensläufe der Figuren in der Realität – die übrigens fast das ganze 20. Jahrhundert umspannen – sowie den Begegnungen in dem mysteriösen Buch, sind sehr eng und bedingen einander.

So erhält man als Leser einerseits eine spannende Geschichtsstunde über die Entwicklung Serbiens im 20. Jahrhundert und die verschiedenen Einflüsse, denen es ausgesetzt war, beispielsweise russischen und französischen Einflüssen, solchen aus dem Habsburgerreich und vor allem auch Russland und andererseits versteht man mehr und mehr die Faszination, die von dem anfangs scheinbar uninteressanten Buch ausgeht. Natürlich erfährt man auch, warum das Buch keine Handlung aufweist, sondern nur wunderbare, ausführliche Beschreibungen.

In mir wurde durch die fühlbare Verzauberung, die der Roman in mir hervorrief und die besondere Stimmung des Buches das Bedürfnis und der Wunsch geweckt, selbst leibhaftig in Büchern spazieren gehen zu können. Andererseits habe ich auch viel geschichtliches über Serbien erfahren, was sehr interessant war, ist es doch ein Land, zu dem man in der Regel nicht so viel weiß.

Die verschiedenen Biographien durch mehrere Jahrzehnte hindurch lassen einen die handelnden Personen immer besser verstehen und auch die Verbindungen, die sie, meist unbewusst, zueinander haben. So entblättert sich mehr und mehr die Tragik in den meisten Lebensläufen und auch die Handlung im Buch spitzt sich zu, als ein rätselhafter Mord geschieht. Und dann stellt Adam sich die Frage, ob dieser Mord auch in der realen Welt geschehen ist, ob diese Person in beiden Welten ausgelöscht worden ist. Er begibt sich auf Recherche und gerät damit in ernsthafte Gefahr.

Dieses Buch ist einerseits eine Hommage an die eine große Liebe, die ein Mensch, wenn er Glück hat, im Leben haben darf. An die Freude und auch das Leid, das damit einhergehen kann. Andererseits ist es ein spannender und aufschlussreicher Spaziergang durch die serbische Geschichte.

Insgesamt bleibt leider manchmal die Spannung zugunsten der Verzauberung, die das Buch zu wecken vermag, zurück, daher bekommt es schlussendlich ein Stern abzug von mir. Insgesamt war es aber eine außergewöhnliche und sehr schöne Lektüre und ich empfehle das Buch gerne weiter.

Kommentare

vantob kommentierte am 07. Januar 2015 um 01:48

Spannung pur-tolles Buch.