Rezension

Tierisch!

Tiere, vor denen man Angst haben muss
von Alina Herbing

Bewertet mit 5 Sternen

 

Keine Angst vor der Lektüre – dieses ist im wahrsten Sinne des Wortes ein tierisches Buch. Nicht nur inhaltlich, auch in erzählerisches Hinsicht hat mich „Tiere, vor denen man Angst haben muss“ begeistert, wobei mir vor allem die Protagonistinnen, die Schwestern Madeleine und Ronja, in Erinnerung bleiben werden.

Die beiden wohnen mit ihrer Mutter in einem heruntergekommenen, abgelegenen Bauernhaus in der mecklenburgischen Provinz. Doch die Mutter legt mehr Sorge um aller Getier an den Tag als um ihre beiden Teenagertöchter und überlässt sie größtenteils sich selbst. Physische und psychische Kälte nehmen stetig zu, während die sozialen Bindungen, das Familienleben und der Hof selbst zusehends verfallen und zusammenbrechen. Trotz allem bleiben die beiden Mädchen beeindruckend  stark und zukunftsorientiert. Es stellt sich immer wieder die Frage, wer sich eigentlich um wen kümmert: die Mutter um die Kinder oder die Kinder um die Mutter? Sie beklagen sich nicht wegen ihrer Vernachlässigung, sondern übernehmen Verantwortung und bringen sogar noch Verständnis und Mitgefühl auf. Dabei wirkt die Erzählerin Madeleine so erwachsen, dass ich mir mehr als einmal vergegenwärtigen musste, dass sie erst ein Teenager ist! Tierische starke Personen!

Sprachlich ist der Autorin eine authentische Erzählstimme gelungen, die sich sehr flüssig lesen lässt. Auch wenn es keine langen Satzperioden gibt, so ist doch fast jeder kurze Satz voller Bedeutung und der ganze Roman mit Metaphern und Bildern durchzogen, sodass man über den tieferen Sinn der teils surrealen, märchenhaften Szenen nachdenkt. Ein tierisches Vergnügen! Mir wird das Buch jedenfalls noch lange in Erinnerung bleiben. Am Ende wirkt es so, als wenn sich vor allem die jüngere Schwester im Kopf eine ideale Märchenwelt erschafft, um Hoffnung für eine bessere Zukunft zu schöpfen. Somit endet der teils leicht düstere Roman mit einem Lichtblick und da gerade das Schicksal der Protagonistinnen so bewegt, würde ich gerne wissen, wie es für sie weitergeht. Es bleibt wohl tierisch spannend… Angst vor einer Fortsetzung der Geschichte hätte ich nicht.