Rezension

Tief unten

Vorbereitung auf das nächste Leben - Atticus Lish

Vorbereitung auf das nächste Leben
von Atticus Lish

Bewertet mit 4 Sternen

Zwei Menschen am unteren Rand der Gesellschaft in einem Land, das sich noch immer gern das Land der unbegrenzten Möglichkeiten nennt. 
Wie sehr dies eine Illusion ist, zeigt uns Atticus Lish in seinem mit dem PEN-Faulkner-Award ausgezeichneten Roman. 
Er zeigt es mit unerbittlicher Härte, ungeschönt und manchmal schwer zu ertragen. 
Mit knapper, spröder Sprache, die leider in der Übersetzung oft sehr holprig daher kommt, erzählt er von Zou Lei, einer illegalen Immigrantin aus China, ihrem Heimatland aus großer materieller Not entflohen und voller Hoffnung auf ein besseres Leben in New York gelandet. Dort versucht sie in der chinesischen Community mit Jobs in der Gastronomie zu überleben, haust in elenden Migrantenunterkünften, schuftet sich ab, kämpft und muss doch erfahren, dass sie als Angehörige der uigurischen Minderheit auch hier immer hintan stehen wird. 
Es ist schmerzhaft zu sehen, wie all ihr Streben an den doch sehr begrenzten Möglichkeiten scheitert. Doch sie müht sich, trotz der Sprachprobleme, die auch in China Town nicht verschwinden, sind es der chinesischen Sprachvarianten doch so viele. 
Atticus Lish bedient sich bei den Dialogen hier einer stark gebrochenen Grammatik. Das ist nicht leicht zu lesen, aber sehr authentisch. 
Sehr realitätsnah sind auch die keineswegs immer freundlichen Rangeleien unter den Menschen, die hier im sozialen Abseits um ihre Existenz kämpfen. Zou Lei bleibt dabei sehr allein. 
Ein Trost ist ihr die körperliche Ertüchtigung, das Laufen. 
Das hat sie mit Brad Skinner, einer Zufallsbekanntschaft gemein. 
Auch Skinner steht im gesellschaftlichen Aus, wenn auch aus anderen Gründen. Er ist Ex-Soldat, aus dreimaligem Irak-Einsatz mit schwerem psychischem Trauma heimgekehrt, verfolgt von entsetzlichen Träumen, in denen sein Kamerad neben ihm immer wieder von einer Sprengladung zerfetzt wird. Er isoliert sich, zieht sich zurück, lebt von Psychopharmaka und Alkohol. Auch dieses Leben zu verfolgen, ist bedrückend. 

Zwischen Zou Lei und Skinner kommt es zu einer Beziehung, körperlich zunächst, dann entwickelt sich aber zaghaft so etwas wie Liebe. Beide merken, wie sie einander brauchen, aneinander Halt finden. 
Skinners psychische Probleme machen es den Beiden schwer, besonders nachdem der kriminelle, rassistische Sohn seiner Vermieterin auftaucht. 
Ein Happy-End gehört nicht zu den begrenzten Möglichkeiten dieser Lebenswelt.

Atticus Lish beschreibt Randexistenzen, die das moderne, glitzernde New York buchstäblich an seinen Rand schiebt, sehr eindringlich, detailgenau, manchmal nahezu unerträglich atmosphärisch. 
Dabei entsteht ein faszinierendes, düsteres Porträt der Stadt. 
Stellenweise verzettelt sich der Autor dabei, die Passagen geraten dann unnötig lang. Auch hat die Übersetzung leider offenkundige Mängel, so dass das Buch sprachlich darunter leidet. 

Dennoch ist "Vorbereitung auf das nächste Leben" ein eindrucksvoller Blick auf die amerikanische Gesellschaft, weit ab von den unbegrenzten Möglichkeiten, die sie verspricht und die viele ihrer Bürger sich höchstens im nächsten Leben erhoffen können.