Rezension

Themen der Zeit

Über Menschen -

Über Menschen
von Juli Zeh

Bewertet mit 4 Sternen

Juli Zehs neuer Roman „Über Menschen“ hat einige Bezüge zum großen Erfolg „Unterleuten“, ist aber keine Fortsetzung, sondern ein komplett eigenständiger Roman mit komplett anderem Personal. Gemeinsam haben beide Romane das Aufeinandertreffen von Städtern und Dorfgemeinschaft. Die Mittdreißigerin Dora zieht eher zufällig von Berlin in das Dorf Bracken in Brandenburg. Dort trifft sie auf recht unterschiedliche Dorfbewohner – insbesondere auf den direkten Nachbarn und selbsterklärten 'Dorf-Nazi' Gote und seine Tochter Franzi. Gote, aber auch die anderen Dorfbewohner, sind interessant, komplex und ohne Klischee gezeichnet. Ein Kontrast zu Doras überzeichnet (und etwas zu ausführlich) dargestellte Berliner (Ex-)Freund und 'Gutmensch' Robert. Dabei stellt der Roman die Narrative von gut und böse etwas auf den Kopf - niemand kommt hier richtig gut weg, gleichzeitig gibt es aber auch niemand, der ausschließlich negativ dargestellt wird. Schwarz und weiß und einfache Antworten gibt es im echten Leben halt meist nicht. Diese Komplexität unserer Realität greift die Autorin neben den Charakteren auch mit den Themen der Zeit auf: Klimakrise, Rassismus und jetzt auch noch Corona. All diese Themen beschäftigen Dora nicht erst seit ihrem Umzug und sie lässt die Lesenden an ihren Gedanken teilhaben.
Antworten gibt der Roman nicht, aber vielleicht die Anregung, anderen zuzuhören und die Welt komplexer wahrzunehmen, als sie in unseren Blasen oft wirkt.
So fand ich das Buch auch nicht verharmlosend oder ähnliches, sondern zum Nachdenken und Reflektieren anregend.