Rezension

Surreal

Der Mann im Untergrund -

Der Mann im Untergrund
von Richard Wright

Bewertet mit 2 Sternen

Nach dem Hören dieses Werkes bin ich ein klein wenig ratlos, auch wenn die zwei Stunden Anhang mit Erläuterungen verschiedenster kluger Menschen und nicht zuletzt die „Erinnerungen an meine Großmutter“ ein klein wenig Licht ins Dunkel bringen.

Ich hatte eigentlich mit einem anrührenden Buch zum Thema Rassismus gerechnet, das ist hier aber wohl nicht das Hauptanliegen.

Es geht um einen jungen schwarzen Mann, der auf seinem Heimweg von weißen Polizisten festgenommen wird. In der Gegend ist ein Mord geschehen und Fred bietet sich als Täter geradezu an. Mit aller Brutalität versuchen sie, ihn zu einem Geständnis zu zwingen.

Bis dahin erfüllt das Buch durchaus die Erwartungen, auch wenn die Figuren etwas einfach gestrickt sind. Die Polizisten sind brutal und böse, Fred ist simpel naiv und erfüllt das Klischee vom „dummen Schwarzen“ in jeder Hinsicht.

Fred kann fliehen und versteckt sich in der Kanalisation und ab da wandelt sich das Geschehen zu einem Alptraum aus Gedanken, Visionen und merkwürdigen Vorkommnissen. Er gräbt sich durch Keller verschiedenster Orte, beobachtet Dinge von unten, begeht Diebstähle, nicht aus Habgier sondern aus Faszination dafür, dass er wie ein Geist ungesehen in das Leben anderer eingreifen kann. Vergessen ist seine Situation, seine Frau, sein ganzes Leben.

Die Anmerkung des Autors, dass er beim Schreiben an seine streng religiöse Großmutter gedacht hat, die Adventistin war, hilft bei der Frage „Was soll das?“, macht es aber nicht besser. Er sagt, er wollte zeigen, wie ein „Leben auf Distanz zur Umwelt“ aussehen kann, nur wenn er möchte, dass wir durch seinen Text Verständnis dafür aufbringen können, dann muss er den Leser geschickt an das Thema heranführen. Hier taucht ein Mann ab und dreht durch, das ist, bei aller Sympathie für die Großmutter, eher befremdlich als nachvollziehbar. Und wenn mir das Ganze religiöse Emotionen nahebringen soll, dann komme ich dadurch eher zu der Erkenntnis, dass Religion wohl eine spezielle Form von Wahrnehmungsstörung ist.

Richard Wright hat dieses Buch in den 40er Jahren geschrieben, es ist aber damals durchgefallen und bislang nicht veröffentlicht worden. Vielleicht sollte man akzeptieren, dass nicht jedes Wort aus der Kladde eines Genies genial sein muss, auch dann nicht, wenn es beim Schreiben an Platons Höhlengleichnis gedacht hat.

Das Hörbuch wird wacker gelesen von Patrick Abozen und Timo Weisschnur und dauert 6 Stunden, 48 Minuten, wobei die letzten ca. zwei Stunden Erläuterungen zum Werk sind. Wahrscheinlich ist es höchst interessant für Literaturwissenschaftler oder Bewunderer des Autors. Für mich war es ein recht holpriger Weg, einen neuen Autor kennenzulernen, aber immerhin habe ich gelernt, was Jazzprosa ist.