Rezension

Spannendes Rittermärchen mit anspruchsvollem Schreibstil

Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe - Michael Ende, Wieland Freund

Rodrigo Raubein und Knirps, sein Knappe
von Michael Ende Wieland Freund

Bewertet mit 4 Sternen

Die ersten drei Kapitel wurden noch von Michael Ende geschrieben, die folgenden 13 dann von Wieland Freund. Ich finde durchaus, dass sich der Schreibstil ändert, denn Wieland Freund versuchte natürlich die ausschweifend beschreibende Sprache von Michael Ende zu kopieren, doch schoss damit ein bißchen über das Ziel hinaus. Denn rausgekommen ist zwar eine literarisch sehr wertvolle Geschichte, aber für Kinder in der Zielgruppe 6-8 Jahre ist es sehr anstrengend wenn fast in jedem Satz ein eingeschobener Nebensatz vorkommt (der meist auch nur sehr Nebensächliches beinhaltet). So wurde ein Satz nicht selten auch mal bis zu 8 Zeilen lang. Zudem hat Freund die Angewohnheit, Dinge aus vorangegangenen Sätzen, oder sogar demselben Satz, gleich zu wiederholen. Ein Beispiel (doch es geht auch wesentlich länger und verschachtelter) "Unvorstellbar, dass ein Raubritter sich von Mama Dick in einen Waschzuber stecken lassen würde, wie sich Knirps in einen Waschzuber hatte stecken lassen, bevor er unter die Raubritter gegangen war." Beim Vorlesen habe ich solche Einschubsätze oder Wiederholungen teilweise weggelassen, sofern mir das so spontan möglich war. Ebenso wie ich zahlreiche Wörter, die entweder schon sehr veraltet sind und/oder im normalen Sprachgebrauch von Kindern niemals vorkommen, ausgetauscht oder zumindest für sie übersetzt habe.

Trotz kleinerer Kürzungen brauchten wir für das Vorlesen eines Kapitels 20-25 Minuten, das sollte man einplanen wenn es so wie bei uns die "Gute-Nacht-Geschichte" ist. Wir mussten immer rechtzeitig anfangen, damit wir zumindest 2 Kapitel pro Abend schafften, denn natürlich waren die Jungs immer sehr gespannt wie es weitergeht (auch wenn sich die Geschichte manchmal echt hinzieht, und es z.B. über 3 Seiten beschrieben wird wie sich Rodrigo Raubein versucht seiner Rüstung zu entledigen; oder Sokrates, der Papagei, über den möglichen Verlauf der Geschichte sinniert. Jüngere Kinder sind da eher ungeduldig und wollen lieber wissen wie es denn nun tatsächlich mit Knirps und Flip und Rodrigo Raubein weitergeht.

Meinen Jungs gefielen am besten die Erlebnisse von Knirps, vor allem seit dem Zeitpunkt wo er auf Prinzessin Flip stößt. Doch folgen wir nicht ausschließlich dem kleinen Jungen und seiner neuen Freundin, sondern die Geschichte wechselt hin und her zwischen bis zu 4 Erzählsträngen, die nach und nach zusammen kommen. Denn da gibt es noch die Familie Dick, die verzweifelt ihren Sohn sucht. Den melancholischen König Kilian, der sich um seine verschwundene Thronfolgerin sorgt. Und den fiese Zauberer mit seinem nachtschwarzen Drachen Wak, der selbst die Krone haben will. 

Doch trotz der recht anspruchsvollen Erzählweise mit den verschiedenen Plots, ist die Geschichte an sich für Kinder ab 6 Jahren bestens geeignet. Mein jüngerer Sohn sagte, als wir etwa bei Kapitel 10 waren, "Mama, zuerst fand ich die Geschichte ja langweilig, aber jetzt finde ich sie total spannend." Ein größeres Kompliment gibt es fast nicht, wenn ein Buch es schafft, die Meinung seiner Leserschaft noch so 'herumzureißen'.
Den sehr künstlerischen Schreibstil hingegen wissen aber wohl eher ältere Kinder (ab 11 Jahren?) und Erwachsene zu schätzen.
Ich hätte 3,5 Sterne vergeben, die Jungs 4,5. Wir haben uns in der Mitte getroffen.