Rezension

Spannend und unterhaltsam, ausgestattet mit vielen persönlichen Anekdoten und Erinnerungen

Aufregend war es immer -

Aufregend war es immer
von Hugo Portisch

Bewertet mit 5 Sternen

Hugo Portisch - sein Name steht wie kein anderer in Österreich für unabhängigen Journalismus. Seine gesamte journalistische Laufbahn hindurch hat er für diese ihm so wichtige Unabhängigkeit gekämpft. Ein Höhepunkt war das von ihm initiierte Rundfunkvolksbegehren im Jahr 1964. Mehr als 830.000 Österreicher unterstützten mit ihrer Unterschrift die Forderung nach einer Entpolitisierung des Österreichischen Rundfunks – ein sensationelles Ergebnis, das zu einer grundlegenden Reform des ORF führte.
Der erste Teil der biografischen Dokumentation widmet sich den Anfängen der außergewöhnlichen Laufbahn Hugo Portischs. Im Gespräch mit Heinz Nußbaumer erzählt er über seinen familiären Hintergrund und seine persönlichen Erfahrungen während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Besonders prägend war für den Journalisten seine Ausbildungsreise 1950 in die USA. Sie schuf die Basis für seine beruflichen Grundsätze und löste bei ihm eine Faszination für das Land aus, die ihn lange nicht mehr loslassen sollte. Als Mitarbeiter des Informationsdienstes der Österreichischen Botschaft in New York begleitete er 1954 den österreichischen Bundeskanzler Julius Raab auf seinem USA-Besuch. Dabei erlebte Portisch unvergessliche und spannende Episoden, die Einblicke hinter die Kulissen gewähren und Auskunft über die politischen Hintergründe jener Zeit geben.
Noch während seiner Reise mit Raab bekam Portisch das Angebot beim „Neuen Kurier“ zu arbeiten, wo er ab 1958 als Chefredakteur große Erfolge feierte. Mit hoher journalistischer Qualität und dem richtigen Gespür für gute Geschichten. Wie diese: Als der langersehnte Staatsvertrag im Jahr 1955 Realität werden sollte, war es Hugo Portisch, der gemeinsam mit Hans Dichand als erster eine Sonderausgabe mit der Schlagzeile „Österreich wird frei“ druckte und sie eigenhändig am Wiener Westbahnhof verteilte. Bloß, zu diesem Zeitpunkt wollte noch keiner daran glauben…

In seiner Autobiografie verknüpft er die Zeitgeschichte mit dem eigenen Leben, was zeigt, dass er immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Er nimmt den Leser mit zu den Weltschauplätzen des vergangenen Jahrhunderts – von Wien über Prag, Vietnam, Peking, Afrika und Kuba bis nach Sibirien oder Brasilien. In zwei neuen Kapiteln beschreibt er nun auch seine Erlebnisse im Vatikan mit Kardinal König und wie er den Weg Englands in die EU bis zum Brexit erlebt hat.

Prag, Paris, London, Belgrad, New York. Ende der 1960er-Jahre schien Hugo Portisch als ORF-Chefkommentator an allen Schauplätzen der Weltpolitik gleichzeitig zu sein. Legendär sind seine Live-Berichte und Analysen zu den brennenden politischen Themen der Zeit. Unvergessen ist etwa jene Live-Schaltung ins revoltierende Paris des Jahres 1969, als Portisch es schaffte – trotz Konfetti-Regen, flankiert von Demonstranten – seinen Live-Bericht fertigzustellen. Im Sommer des Umbruchjahres 1968 bewies er sein großes politisches und journalistisches Gespür, als ihn sein Bauchgefühl frühzeitig seinen Italienurlaub abbrechen ließ und er auf der Rückreise erfahren musste, dass soeben sowjetische Panzer in Prag aufgefahren waren. Noch in der Nacht fuhr Portisch zurück nach Wien. Seine Berichte rund um den niedergeschlagenen Prager Frühling gehören zu jenen journalistischen Höhepunkten, die ihn bei der österreichischen Bevölkerung so populär machten. Abseits der aktuellen Berichterstattung reiste Portisch um die Welt um ausführliche Dokumentationen etwa über China, Kuba oder mehrere Länder Afrikas zu drehen. Sein Interview mit dem chinesischen Marschall Chen Yi über die Rolle Chinas im Vietnam-Krieg machte internationale Furore und wurde auch in der New York Times abgedruckt. Zurück in Österreich holte sich das amerikanische State Department bei ihm Informationen und Jahre später erfuhr Portisch, dass sein Bericht die gesamte Chinapolitik der USA beeinflusst hatte.

Die Autobiographie von Portisch erklärt vieles in der österreichischen Geschichte und Weltpolitik. Er schreibt wertungsfrei, er verurteilt nicht, gibt aber immer seine persönlichen Ansichten aus dem Verhalten der Weltpolitiker kund. Seien politische Einschätzungen sollten ihm oftmals Recht geben. In professioneller journalistischer Art beschreibt er sein Leben, seine Reisen und die Welt. Sein Familienleben ist vom tragischen Tod seines Sohnes Edgar überschattet, der erste Höhepunkt die Heirat mit Traudi. In der Buchmitte sieht man rund 30 Bilder aus seinem Privat- und journalistischen Leben, teilweise doppelseitig, meist in Schwarzweiß, gemäß dem damaligen Standard.

Aufregend war es immer und sind auch diese 404 Seiten, eine Pflichtlektüre (zumindest für jeden Österreicher). Besser kann man die letzten 90 Jahre Geschichte wohl nicht zusammenfassen und beschreiben. Hugo Portisch ist einer der wirklich großen Journalisten Österreichs!