Rezension

Sich und anderen fremd sein

Fremd
von Ursula Poznanski Arno Strobel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Joanne – auch Jo genannt – hält sich in ihrem Haus auf. Plötzlich steht ein Mann in ihrem Haus, den sie anscheinend nicht kennt. Aber er kennt sie. Dieser fremde Mann ist Erik, ihr Verlobter. Erik fragt sich, warum Jo ihn nicht erkennt. Und wieso sind seine Kleidung und anderen Besitztümer nicht mehr im Haus. Hat Jo alles entfernen lassen? Jo bekommt Angst von ihrem Zustand, den sie sich selbst nicht erklären kann. Sie wendet sich an ihre Freundin Ela, die wiederum auch eine gute Freundin von Erik ist bevor er Jo kennenlernte. Erik und Ela sind über Jos Zustand ratlos. Als Eriks Kollege Bernhard mitbekommt wie Jo vor Erik flieht, geht Bernhard zu deren Chef Gabor und erzählt diesem von Jos und Eriks Vorfall in deren Haus. Daraufhin wird ein firmeninterner Psychologe hinzugezogen. Jo will keine psychologischen Gespräche, aber was bleibt ihr übrig, wenn sie Gedächtnislücken hat. An ihre Eltern, die in Australien leben, kann sie sich erinnern, aber nicht an die Zeit vor achtundvierzig Stunden. Als Erik allerdings attackiert wird, und er sich beobachtet fühlt und Jo ebenso in Gefahr gerät, versuchen Erik und Jo sich zu verbünden, was anfangs für beide eine Herausforderung darstellt. Wird Jo ihre Erinnerungen zurück bekommen?

Das Autorenduo Ursula Poznanski und Arno Strobel schrieben diesen Thriller gemeinsam, indem Ursula Poznanski aus der Sicht der Joanne schrieb, und Arno Strobel aus der Sicht des Erik. Beide Figuren werden abwechselnd aus der Ich-Perspektive erzählt, so dass man sich gut in beide Figuren hineinversetzen kann. Jos Gedächtnislücken scheinen im fachsprachlichen Gebrauch eine Systematische Amnesie zu sein. Als Leserin möchte man die ganze Zeit wissen, warum Jo diese Gedächtnislücken hat. Somit baut Ursula Poznanski Spannung auf. Arno Strobel ergänzt mit seiner Figur Erik ebenso die Spannung, indem die  Angriffe auf Erik für weitere Spannung sorgen. Anderer Figuren werden zu einem Rätsel, das sich nach und nach aufbaut und auflöst. Der Begriff „Fremd“ erhält anhand dieser Geschichte eine klare Bedeutung. Fremd sich selbst, und fremd dem Gegenüber, dem man eben noch ganz nahe war. Thematische Elemente im Erzählstrang passen zur aktuellen Lage in der Welt, wobei das Element Geschichte ebenso eine Rolle spielt.

Bei diesem Thriller erhält man ein abwechslungsreiches und fesselndes Leseerlebnis. Der Perspektivwechsel zwischen Joanne und Erik und die Aktualität der Erzählelemente gefielen mir sehr gut. Da man mit Jos und Eriks Leben mitfiebert, wird man permanent an die Geschichte gebunden, so dass man das Buch keinen Augenblick aus der Hand legen möchte. Der Thriller enthält geringfügige Schwächen meiner Meinung nach, die ich aber hier nicht erwähnen möchte aus taktischen Gründen. Aufgrund der Schwächen wäre ein gemeinsames zukünftiges Projekt des Autorenduos nicht chancenlos, sondern ausbaufähig. Ich denke, dass Ursula Poznanski und Arno Strobel sich der Kritik annehmen, falls beide nochmal ein solches Projekt planen beziehungsweise durchführen sollten.