Rezension

Schockierend, beklemmend und doch genial erzählt

Hotel Iris - Yoko Ogawa

Hotel Iris
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 4 Sternen

Mari ist 17. Die Mutter ist herrschsüchtig, dominant, gängelt Mari jede Minute. Lässt ihr keinen Freiraum. Maris Vater erging es ähnlich, er flüchtete in den Alkohol und kam ums Leben als Mari 8 Jahre war. Dennoch sind Maris besten Kindheitserinnerungen diejenigen, in denen ihr Vater und ihr Großvater eine Rolle spielten. Als ein wesentlich älterer Mann, der ihr Großvater hätte sein können, im Hotel Iris, dem Hotel ihrer Familie, nachts einen lautstarken Streit mit einer Prostituierten bekommt, der eskaliert, ist Mari nicht abgeschreckt, sondern fasziniert. Als sie ihm kurze Zeit später zufällig wiederbegegnet, entwickelt sich zwischen diesen beiden ungleichen Personen eine Beziehung der ganz besonderen Art. Mari lässt sich von ihm demütigen, sado-maso Spiele beflügeln ihre Lust. Immer weiter hinein gerät sie in den Strudel der fast unerklärlichen Anziehung zu diesem alten Mann........

223 Seiten, die durch die ganz besondere Erzählweise der japanischen Autorin Yoko Ogawa schnell gelesen sind. Faszinierend, wie sich das Geschehen langsam aufbaut, der Strudel, in den sich Mari verfängt, sie immer mehr an den Abgrund treibt. Erzählt wird in der Rückblende aus der Sicht von Mari, nüchtern berichtet sie, schonungslos und der Autorin gelingt es in die Haut der jungen, unbedarften, unerfahrenen und von der Dominanz der Mutter geprägten Protagonistin zu schlüpfen. Auch wenn man sich nicht mit ihr identifizieren kann, ja teilweise abgeschreckt von ihr ist, hat mich die Geschichte gefesselt. Die weiteren Protagonisten bleiben in ihrer Art weitgehend im Dunkel  - was ihre Beweggründe waren, was ihre Vergangenheit, ihre Gefühle betrifft. Dies zeichnet sich schon an ihren fehlenden Namen ab - die Mutter, der Übersetzer, der Neffe, die Zugehfrau, namenlos, schattenlos und nur durch die Wahrnehumung von Mari dargestellt.

Viele Szenen dunkler Begierde gehen unter die Haut, schrecken ab, beunruhigen, sind aber dennoch irgendwie nüchtern und gefühllos beschrieben, so dass sie bizarr und mit der ausdrucksstarken Schreibweise der Autorin dennoch lesbar und ertragbar sind.

Fazit:
Ein gut gezeichnetes Psychogramm eines jungen Mädchens, das in einen dunklen Strudel aus Lust, Begierde und Schmerz gerät.
Schockierend, beklemmend und doch genial erzählt.