Rezension

Roulette des Lebens

Die Chance - Stewart O'Nan

Die Chance
von Stewart O'Nan

Art und Marion sind am Ende: Sie haben beide ihre Arbeit verloren, sie können ihre Hypothek nicht mehr zahlen und sind verschuldet, und last not least: Auch ihre Ehe ist am Ende. Seit Art vor vielen Jahren eine Affäre hatte, ist ihre Beziehung kaputt; da hilft es auch nicht, dass Marion ebenfalls untreu war. Sie haben die Scheidung eingereicht, weil das für die Finanzen noch am besten ist. Und sie gönnen sich eine letzte Chance: Da es ja ohnehin nicht mehr darauf ankommt, fahren sie wie vor 30 Jahren auf ihrer Hochzeitsreise zu den Niagara-Fällen und wollen dort mit ihrem restlichen Geld im Kasino spielen. Wie stehen wohl die Chancen, das Steuer noch herumzureißen?

Das Buch erzeugt vordergründig die Spannung, ob es mit dem Roulettegewinn wohl klappen wird. Doch im Hintergrund - und eigentlich viel wichtiger - ist die Frage nach der Beziehung des Ehepaares. Sie sind nun dreißig Jahre zusammen, sie kennen sich gegenseitig gut und wissen oft, was der Andere denkt. Dennoch bleibt auch nach so langer Zeit noch ein geheimer Bereich - so ganz kennt man den Anderen eben doch nie. Und trotz aller Enttäuschungen gibt es vieles, was die Beiden zusammenhält. Dieses Zusammenspiel finde ich faszinierend; hier gibt es ja auch so manche andere literarische Verarbeitung wie z. B. "Wer hat Angst vor Virginia Woolf". Nachdem O´Nan in seinem letzten Buch die Gefahr der Alterseinsamkeit beschreibt ("Emily, allein"), geht er hier im Lebenslauf wieder etwas zurück und beschreibt ein Paar Mitte fünfzig. Seine Charakterbeschreibungen sind lebensecht und glaubwürdig. So habe ich auch dieses Buch gern gelesen. 

Ein netter Effekt: Jedes Kapitel wird mit einer Wahrscheinlichkeitsstatistik eingeleitet: Von der Wahrscheinlichkeit, dass ein amerikanischer Tourist die Niagarafälle besucht (1:195) bis hin zu der Wahrscheinlichkeit, dass ein geschiedenes Paar wieder heiratet (1:20.480). Alle Beispiele haben Bezug zum Text, und der Leser kann sich fragen, ob sie auch Bezug zu seinem eigenen Leben haben.