Rezension

Regt zum Nachdenken an

Angst
von Dirk Kurbjuweit

Bewertet mit 4 Sternen

Der Architekt Randolph Tiefenthaler und seine Frau kaufen eine schöne Altbauwohnung in Berlin. Gemeinsam mit ihren beiden Kindern verwandeln sie diese in ein gemütliches Heim. Mit der Nachbarschaft scheinen sie es gut getroffen zu haben. Herr Tiberius, der im Souterrain wohnt, stellt ihnen sogar Kuchen vor die Tür. Doch plötzlich verändert sich sein Verhalten, denn er zeigt deutliches Interesse an Randolphs Frau und schreibt ihr erst verliebte Briefe, geht dann zu Verleumdungen und unterschwelligen Drohungen über, um schließlich bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Randolph setzt sein Vertrauen in den Rechtsstaat, denn seine Frau und er selbst, sind sich keiner Schuld bewusst und hoffen, dass der verleumderische Spuk schnell ein Ende finden wird. Doch Tiberius lebt ja im gleichen Rechtsstaat und da er die Familie nicht offen angreift, kann er sein Treiben munter fortsetzen. Die Atmosphäre in der Familie Tiefenthaler wird immer angespannter und allen ist klar, dass etwas passieren muss....

Meine Meinung

In Dirk Kurbjuweits Roman erzählt der Hauptprotagonist Randolph Tiefenthaler seine Geschichte. Er greift den Ereignissen etwas voraus, denn gleich zu Beginn erfährt man, dass sein Vater im Gefängnis sitzt und dort eine Strafe wegen Totschlags verbüßen muss. Dennoch ist das Interesse an der Handlung sofort geweckt, da man unbedingt erfahren möchte, was einen alten Mann dazu treiben kann, die Familie seines Sohnes auf diese Art zu schützen.

Durch die gewählte Erzählperspektive erlebt man hautnah, wie die Angst sich langsam Randolphs Familie schleicht, dort die Atmosphäre vergiftet und schließlich den Alltag bestimmt. Man erfährt allerdings nicht nur von der Angst, die Tiberius durch sein Verhalten auslöst, sondern von tief verschütteten Ängsten, denen Randolph in seiner Kindheit ausgesetzt war. Denn Rückblicke in diese Tage zeigen, dass Randolphs Vater ein großes Sicherheitsbedürfnis hatte. Um sich und seine Familie zu schützen, legte er eine umfangreiche Waffensammlung an, nahm regelmäßig an Schießübungen teil, zu denen Randolph ihn schon als kleiner Junge begleiten musste, und verließ das Haus selten ohne Waffe. Sicherheit und Schutz sieht Randolph in diesen Waffen nicht, denn er lebte ständig in der Angst, dass der Vater ihn, oder seine Geschwister, erschießen könnte. Und nun ist Randolph das Familienoberhaupt und seine Familie befindet sich in Gefahr. Der Staat sieht das allerdings anders, denn angegriffen hat Tiberius die Familie nicht und ob es sich bei seinen Vorwürfen wirklich um bloße Verleumdungen handelt, muss geklärt werden. Randolphs Vertrauen in den Rechtsstaat wird tief erschüttert. Ungläubig und hilflos muss er mitansehen, wie sich sein Traum von einer heilen Familienwelt in den eigenen vier Wänden langsam in einen Albtraum verwandelt.

Angst steht im Zentrum der Handlung. Es gelingt Dirk Kurbjuweit hervorragend die verschiedenen Facetten der Angst zu beschreiben, und zu vermitteln, welchen Einfluss sie nehmen kann. Die Protagonisten wirken sehr lebendig und ihre Reaktionen nachvollziehbar. Obwohl man sich beim Lesen manchmal wünscht, dass Randolph endlich mehr Rückgrat zeigt. Der Schreibstil ist sehr flüssig und angenehm lesbar. Man kann sich die entsprechenden Szenen gut vorstellen und hat das Gefühl, dass man Randolph gegenüber sitzt und seiner Geschichte lauscht. Diese ist durchgehend interessant und kann mit einer unverhofften Wendung punkten.

Insgesamt gesehen habe ich mich beim Lesen sehr gut unterhalten. Doch leider habe ich vollkommen falsche Erwartungen gehabt und wurde deshalb etwas enttäuscht. Denn in der Leserunde zu diesem Buch wurden ja mutige Testleser, für einen spannenden und nervenaufreibenden Psycho-Thriller, gesucht. Spannung und Nervenkitzel suchte ich leider vergeblich - doch dafür wurde ich mit einer durchgehend interessanten und zum Nachdenken anregenden Geschichte belohnt.