Rezension

Raum-Zeit-Dilemma

Über die Berechnung des Rauminhalts I -

Über die Berechnung des Rauminhalts I
von Solvej Balle

Bewertet mit 4 Sternen

Tara und ihr Mann Thomas leben ein ruhiges Leben in einem kleinen Häuschen im Norden Frankreichs und handeln von dort aus mit antiquarischen Büchern. Sie sind nicht oft getrennt, ihre Beziehung lebt von der Nähe. Aber als Tara auf einer kurzen Reise nach Paris ist um neue Bücher zu erwerben, erlebt sie eine Trennung der ganz besonderen Art: Plötzlich wiederholt sich der 18. November immer wieder aufs neue, doch scheint Tara die Einzige zu sein, die diese Wiederholung bemerkt. Für alle anderen ist es stets der erste 18. November den sie erleben.

Es ist spannend zu lesen, wie Tara mit dieser Absurdität umgeht, wie sie experimentiert, Thomas wieder und wieder ihr Dilemma erklärt, das er wieder und wieder vergisst. Wie sie Besonderheiten entdeckt, resigniert, reflektiert und aufzuschreiben beginnt, was ihr passiert ist. Dabei ist Balles Stil - ähnlich wie ihre Hauptfigur - extrem ruhig und abgeklärt. Sie beschreibt Geräusche, Wetter, Wiederholungen und Einsamkeit ohne dass es dabei Monoton wird.

Mir war es teilweise allerdings ein wenig zu ruhig, zu bedacht, zu kühl. Wo ist Taras Wut über diesen Zeit-Fehler der nur sie betrifft? Wo ist die Panik darüber alt zu werden und vielleicht zu sterben, während der Partner in ewiger Jugend im immer gleichen Tag feststeckt? Wo ist die Lust daran, mal auszubrechen, weil alles was man tut praktisch keine oder kaum Konsequenzen hat? Ich mochte zwar einerseits diesen absolut ruhigen, ja stillen Stil und fand Taras Schlussfolgerungen und Beobachtungen interessant aber oft musste ich auch daran denken, wie anders ich mich in der einen oder anderen Situation verhalten hätte. Andererseits hat so eine Perspektive außerhalb der eigenen Vorstellungskraft natürlich auch ihren Reiz!

Wie schon im Klappentext angedeutet, ist das hier der Auftakt zu einer Reihe. Dementsprechend darf man kein Ende erwarten, dass mit allen Unklarheiten aufräumt. Ich fand den Zeitraum, in dem die Geschichte spielt aber sehr gut gewählt und bin gespannt, was Balle sich für den nächsten Roman alles ausgedacht hat!

Wer eine klare, ruhige Sprache mag und sich auf ein Raum-Zeit-Dilemma abseits von jeder Science-Fiction einlassen kann, der sollte hier zugreifen!