Rezension

Rasant erzählte Psychothriller, in der bald niemand mehr weiß, was Wirklichkeit und was Traum ist

Der Nachtwandler - Sebastian Fitzek

Der Nachtwandler
von Sebastian Fitzek

Zum Inhalt: Leon und Natalie Nader haben nach Natalies Fehlgeburt eine dunkle Zeit hinter sich, als sie ihre neue Wohnung beziehen und einen Neuanfang im Kapitel ihrer Liebe beginnen wollen. Vor kurzem haben sie geheiratet, und Leon hofft, dass die dunklen Tage nun bald hinter ihnen liegen. Doch wie ein Schreckgespenst schleicht sich plötzlich eine Angst, die Leon hoffte, längst in seiner Vergangenheit begraben und überwunden zu haben, wieder in sein Leben. Er realisiert, dass er, wie damals als Kind, kurz nach dem Tod seiner Eltern, wieder zu schlafwandeln begonnen hat. Und es kommt noch schlimmer: wie damals stellt sich bei ihm die Angst ein, während dieser Schlafwandelphasen ein brutales, unkontrolliertes Ich zu offenbaren. Warum sonst hat seine Frau, mit sichtbaren Spuren einer Misshandlung im Gesicht, ihn plötzlich Hals über Kopf verlassen? Und wohin ist Natalie nach ihrem überstürzten Aufbruch verschwunden?

Verzweifelt versucht Leon, herauszufinden, was passiert ist, und findet immer mehr Indizien dafür, dass Ihr etwas Schreckliches zugestoßen sein muss. Und immer weniger kann er ausschließen, dass er selbst dafür verantwortlich sein könnte. Je mehr Leon versucht, über Natalies Verbleib herauszufinden, umso weniger kann er zwischen Realität und Traum unterscheiden. Doch nicht nur sein eigenes Handeln wird Leon immer mehr zum Rätsel, auch die Hinweise, die er auf Natalies jüngste Vergangenheit erhält, verwirren ihn immer mehr und lassen ihn an allem, was er über die letzten Monate seiner Beziehung  zu wissen glaubte, zweifeln.

 

Eigene Meinung: Sebastian Fitzeks „Nachtwandler“ habe ich zum Teil mit angehaltenem Atem gelesen. Der Plot entwickelt sich sehr schnell, schon nach wenigen Seiten ist man mitten in der Geschichte drin und erfährt von Leons Schlafwandel-Phasen, die er in einer schwierigen Phase seiner Kindheit erlebte. Damals gab es einen Vorfall, der Leon jahrelang Angst vor dem Einschlafen bereitete, da er von sich glaubte, im Schlaf zu einem grausamen, bösen Menschen zu werden. Gnadenlos führt Sebastian Fitzek den Leser tief in Leons verwirrtes Inneres, die Ereignisse scheinen sich von Kapitel zu Kapitel zu überschlagen. Es hat es mir sehr gut gefallen, dass nahezu jedes der meist recht kurz gehaltenen Kapitel mit einem Spannungsmoment endete, so dass man sich zwischendurch schon zwingen musste, das Buch auch mal zur Seite zu legen. Hätte ich genügend Zeit gehabt, hätte ich es vermutlich in einem Rutsch herunter gelesen. Leon kann immer weniger zwischen Traum und Realität unterscheiden, er kann sein eigenes Verhalten nicht mehr einschätzen und sein Eindruck, wahnsinnig zu werden und in einer alptraumhaften Parallelwelt gefangen zu sein, wurde für mich sehr deutlich nachvollziebar – „Leon stieg so schnell hinunter, wie es sein Zustand erlaubte, wobei er diesmal weniger das Gefühl hatte, der Schacht führe in eine versteckte Zwischenwelt, als vielmehr in sein Unterbewusstsein.“

Was ich auch sehr schätze – am Ende des Buches wird alles aufgelöst. Ich habe auf nahezu jede der vielen Fragen, die ich mir beim Lesen notiert habe, eine Antwort erhalten, und während der Auflösung wurden mir zusätzlich noch Zusammenhänge klar, die ich beim Lesen nicht vermutet hatte. Eine solche Art der Auflösung schätze ich beim Lesen von Psychothrillern sehr – ich mag es wenn sich alle Puzzleteile an ihren Platz fügen. Ein bisschen Abzug gibt es für mich für die Tatsache, dass die gründlich angelegte Auflösung am Ende des Buches teilweise doch etwas konstruiert wirkte. Nachdem klar war, worin sich des Rätsels Lösung verbarg, war sofort die Spannung raus und die auf 14 Seiten sehr gründlich dargelegte Auflösung aller Fragen wirkte ein bisschen wie das pflichtgemäße Abarbeiten der zuvor aufgeworfenen Rätsel. Daher empfand ich es schon fast wieder gut, dass am Ende des Buches die große Frage, was Realität ist und was Traum, dann doch nicht ganz gelöst zu sein scheint!