Rezension

Plädoyer für einen offeneren Umgang mit der Demenz

Unter Tränen gelacht - Bettina Tietjen

Unter Tränen gelacht
von Bettina Tietjen

Bewertet mit 5 Sternen

Demenz als moderne Geißel der Menschheit? Immer mehr Menschen und insbesondere ihre Angehörigen sind von diesem Schicksal betroffen. So auch die aus zahlreichen Fernsehsendungen bekannte Bettina Tietjen, deren Vater zunehmend seine Erinnerungen verliert.
Als die häusliche Pflege nicht mehr möglich ist, holt Frau Tietjen ihren Vater zu sich in ein Pflegeheim in Hamburg und begleitet ihn auf seinem letzten Weg. In ihrem Buch schildert sie zahlreiche Begebenheiten aus dieser Zeit, die Lesern wie mir, die ebenfalls Erfahrungen mit Demenzerkrankten gemacht haben, nur all zu (gut) bekannt sind. Dabei wechseln sich kurze Momente des Glücks mit solchen der Verzweifelung über den Verfall eines geliebten Menschen. Unvermeidlich wird sich auch irgendwann die Frage nach dem Einsatz lebenserhaltender Maßnahmen stellen, die letztendlich nur jeder für sich entscheiden kann. Frau Tietjen scheint mit dem Pflegepersonal des Heims, für das sie sich entschieden hat, einen Glücksgriff getan zu haben, denn die Menschen dort kümmern sich sehr rührend um die Erkrankten.
Jedem Angehörigen von Demenzerkrankten dürfte auch die letztendlich sinnlose Suche nach den Anfängen der Krankheit bekannt sein, ab wann ist abweichendes Verhalten Altererscheinung, ab wann Demenz? Vielleicht haben einfach viele Menschen nur das "Glück" zu sterben, bevor diese Frage entschieden wird.
Ebenfalls schildert Frau Tietjen die rechtlichen Probleme, die zwangsläufig kommen, wenn denn die Demenz eintritt. Wer hat die Vormundschaft? Sind Unterschriften, die in einem frühen Stadium der Demenz geleistet worden sind, überhaupt rechtsgültig? Welche Vor-/Nachteile hat die Eingruppierung in eine Pflegestufe? Ein Wust von Problemen, die es den durch die Erkrankung eines geliebten Menschen schon arg gebeutelten Angehörigen noch schwerer machen.
Etwas zu kurz kommt mir in dem Buch die nur angedeutete Belastung der Angehörigen, die oftmals gezwungen sind, an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu gehen, worunter mitunter auch die eigene Gesundheit leiden kann.
Dennoch macht diese Buch auch Mut. Mut in dem Sinne, nicht nur die fürchterliche Seite der Krankheit zu sehen, sondern auch die (wenigen) positiven Momente zu genießen.
Insegesamt ist Frau Tietjens Buch aber auch ein Plädoyer für einen offeneren Umgang mit dem Thema Demenz, das unsere Gesellschaft wegen der Überalterung zunehmend betrifft. Das beinhaltet auch eine stärkere Würdigung der Arbeit der Pflegekräfte, aber ebenso auch die Suche nach anderen Möglichkeiten der Betreuung.