Rezension

Packener Krimi

Neben wem du erwachst -

Neben wem du erwachst
von Gytha Lodge

Bewertet mit 5 Sternen

Louise Reakes ist es gewohnt verkatert und verschwitzt aufzuwachen. Doch in dieser Nacht ist etwas anders, denn der Mann, der neben ihr im Bett liegt ist nicht ihr Ehemann. Und noch viel schlimmer: er ist tot.

Ohne eine Erinnerung an die vergangene Nacht, versucht Louise die Spuren zu verwischen und legt die Leiche des Mannes in ihrem Garten ab. Doch schon bald führen alle Hinweise zu ihr als Täterin und Louise sieht sich mit einer Verhaftung konfrontiert.

„Neben wem du erwachst“ ist der dritte Band der Reihe um DCI Jonah Sheens und sein Team. Schon der erste Teil „Bis ihr sie findet“ konnte mich voll und ganz überzeugen – ich muss allerdings gestehen, dass ich mir versehentlich diesen dritten Band, statt des zweiten gekauft habe. Da die Fälle strikt voneinander getrennt sind, ist dies für die Haupthandlung allerdings überhaupt kein Problem. Neben den Fällen gibt es allerdings die übergreifende Handlung aus dem Leben des Ermittlerteams, bei dem man einige Zusammenhänge nicht ganz versteht, wenn man die vorherigen Teile nicht gelesen hat (wobei vieles soweit nochmal geschildert wird, dass man sich den Kontext zusammenreimen kann).

Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus Perspektive verschiedener Ermittler und Louise Reakes, wobei letztere vor allem in Form eines Briefs an ihren Ehemann Niall erfolgt. Diese Brief-Kapitel sorgen nicht nur für Abwechslung, sondern auch für Spannung. Sie geben einen Einblick in Louises Vergangenheit, ohne zu schnell zu viel zu verraten und charakterisieren ihr Umfeld nochmal aus einer anderen Perspektive, die teilweise stark von der des Ermittler-Teams abweicht.

Das Ermittlerteam ist sympathisch, vor allem, da sie offen ermitteln und bei jedem Schritt deutlich wird, wie wichtig es ihnen ist, den (richtigen) Täter zu finden. Allerdings bleibt das Verhältnis zu ihnen beim Lesen teilweise distanziert – insbesondere bei Jonah. Dafür lernt man Juliette Hanson und ihre dramatische Geschichte besser kennen. Die Angst, die sie vor ihrem Ex-Freund hat ergänzt sich als Handlungsstrang perfekt mit der Angst, die Louise Reakes vor fremden Männern und sich selbst empfindet.

Louise Reakes als Verdächtige ist eine ambivalente Figur. Durch die Brief-Kapitel erhält man einen direkten Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt und entwickelt dadurch so etwas wie Mitleid mit ihr. Gleichzeitig ist es schwer, sie mit ihrem Alkoholismus und als Verdächtige tatsächlich ins Herz zu schließen – was im Laufe der Geschichte aber immer weniger wird.

Ihre beste Freundin April sowie Nialls Ex-Frau dagegen wirken beide völlig überzeichnet. Letztere ist die klassische narzisstische rachsüchtige Ex, die nicht akzeptieren kann, dass ihr Ex mit seinem Leben einfach weitermacht. Aprils Verhältnis zu Louise ist dagegen auf vielen Ebenen eigenartig. Einerseits scheint sie sich nicht im geringsten um andere Menschen zu scheren, andererseits kümmert sie sich um Louise – auch wen sie sie dabei immer weiter mit sich in den Abgrund zieht.

Die Handlung hat es eindeutig in sich. Obwohl die Handlung in den Grundzügen relativ abgedreht klingt, ist alles in sich schlüssig und jedes Detail im Gesamtbild logisch verortet. Zunächst scheint der Fall für – zumindest aus Leser:innen-Perspektive – eindeutig: Louise hat den Mann mit nach Hause genommen und umgebracht. Nur das „Warum?“ scheint noch nicht geklärt. Doch im Laufe des Buches stellt sich immer wieder heraus, dass nichts und niemand so ist, wie es scheint und auf jede mögliche Erklärung folgt eine überraschende Wendung, sodass es bis zum Schluss spannend bleibt.

Der Schreibstil ist überwiegend nüchtern, wird allerdings an den richtigen Stellen atmosphärisch. Auch stilistisch unterscheiden sich die Ermittlungs- und Brief-Szenen voneinander. Während selbst dramatische Ereignisse während der Ermittlungen relativ nüchtern und distanziert beschrieben werden, kommen Louises Emotionen in ihrem Brief deutlich herüber.

„Neben wem du erwachst“ ist ein packender Krimi und eine gelungene Fortsetzung der Reihe. Wer den ersten Band mochte, sollte diesen Teil definitiv auch lesen!